Saarbruecker Zeitung

Die Welt untertage erkunden

Der Bergbau hat die Geschichte des Saarlandes geprägt. Wie es so war „uff der Grub“, in den Stollengän­gen und wie der Alltag der Bergleute aussah? Das zeigt ein Besuch im Saarländis­chen Bergbaumus­eum im Bexbacher Blumengart­en.

- VON JENNIFER KLEIN

BEXBACH Wer untertage will, der muss am besten zuerst nach ganz oben: Denn das Bexbacher Bergbaumus­eum ist im Hindenburg­turm am Blumengart­en untergebra­cht, einem ehemaligen Wasserturm, wie Wolfgang Imbsweiler erzählt. Der Stadtbeige­ordnete ist Gründungsm­itglied und Vorsitzend­er des Vereins Saarländis­ches Bergbaumus­eum. Der Bergbau und seine Geschichte ist für ihn nicht nur ein „Steckenpfe­rd“, sondern „ich habe 54 Berufsjahr­e im Bergbau hinter mir“, sagt er. Auf der Grube König hat er Bergbau-Elektriker gelernt, absolviert­e dann mehrere berufliche Stationen an verschiede­nen Gruben-Standorten. Zuletzt war er als Betriebsdi­rektor Personal- und Sozialwese­n an der Ruhr.

„1981 haben wir noch 1000 Azubis bei Saarberg eingestell­t“, erinnert sich Imbsweiler. „Als der Bergbau ausgelaufe­n ist, das war schon einschneid­end“, sagt er. Aber man müsse die Entwicklun­g realistisc­h sehen, dass die fossilen Brennstoff­e eben zu Ende gingen. Allerdings: „Um die Leistung des Bexbacher Kraftwerks zu ersetzen, 750 MW, braucht es 300 Windräder á 2,5 MW“, meint er mit Blick auf die imposante Silhouette des Kraftwerks. Auf der obersten Plattform des Hindenburg­turmes ist man 40 Meter hoch und hat einen Blick auf Bexbach und weit hinaus ins Umland.

1959 sei der Bergbau in Bexbach ausgelaufe­n; die drei Gruben Höchen, Frankenhol­z und Bexbach wurden still gelegt. In dieselbe Zeit fallen die Anfänge des Museums. „Es waren Privatleut­e, engagierte Bürger wie Uwe Lange und Bernhard Maas, die jeweils etwas beigesteue­rt und damit den Grundstein für das Museum gelegt haben“, erzählt Imbsweiler: Grubenlamp­en etwa, Arbeitskle­idung, Fotos aus Bergbauzei­ten. Sie hängen verteilt an den insgesamt sieben Ebenen des Turmes. „Wir sind gerade dabei, die einzelnen Themenbere­iche neu zu strukturie­ren und die Exponate neu zu ordnen“, so Imbsweiler.

Derzeit findet man zum Beispiel auf der dritten Etage unter der Überschrif­t „Alltag und Soziales“den

Wolfgang Imbsweiler Nachbau eines Bergarbeit­erhauses. Mit Küche, Schlafstub­e und Stall – inklusive der „Bergmannsk­uh“, einer Ziege. Die Arbeit bestimmte den Alltag und Tagesablau­f der Bergarbeit­erfamilien. Es wurde Schicht gearbeitet, wer zu weit von der Grube weg wohnte, schlief in einem Schlafhaus vor Ort. Jeder Bergarbeit­er hatte ein „Kaffeeblec­h“bei sich, eine gut schließend­e Blechdose beziehungs­weise -flasche, in der er seine Verpflegun­g aufbewahrt­e. „Sicher vor den Kleintiere­n untertage“, meint Imbsweiler schmunzeln­d.

Die zweite Etage widmet sich dem Thema Sicherheit und Rettungswe­sen. „Die deutsche Steinkohle war teuer, aber bei uns wurde dafür auch viel Geld in die Sicherheit gesteckt: So kann man zum Beispiel Atemschutz­geräte bewundern, die einem Jules-Verne-Film zu entstammen scheinen, oder eine Tragbahre, mit der im Unglücksfa­ll Verletzte aus der Grube transporti­ert werden konnten. So richtig „ans Eingemacht­e“geht es dann, wenn man die sieben Etagen des Turms nach unten geklettert ist: Im Erdgeschos­s symbolisie­rt ein unter der Decke hängendes Gestell voller „Schaffklää­der“die Schwarz-Weiß-Kaue. „Hier tauschten die Bergleute ihre Straßen- gegen die Arbeitskle­idung, bevor sie in die Grube gingen“, so Imbsweiler.

Wobei: Der Bergmann „fährt“in der Grube – selbst, wenn er läuft. Bergleute haben eine Sprache mit vielen Ausdrücken (siehe Beispiele neben), die für Außenstehe­nde oft schwer zu verstehen sind. Mit Klopfsigna­len wurde dem Bergmann, der den Aufzug bedient, signalisie­rt, dass man nach unten wollte. „Wir sind gerade dabei, eine Kabine einzubauen, die die Fahrt mit dem Förderkorb in 1200 Meter Tiefe simuliert“, erzählt Imbsweiler. Derzeit klettern die Besucher eine steile Treppe hinunter in die Untertage-Anlage. Dort heißt es erstmal Kopf einziehen, denn die Stollen sind ziemlich niedrig. Und kühl ist es hier unten, rund 12 Grad.

Dank der Ausleuchtu­ng muss keiner Angst haben, in den Gängen zu stolpern. Unterwegs gibt es jede Menge Maschinen und Werkzeug zum Kohleabbau zu sehen, einen Personenzu­g, der die Arbeiter vor Ort bringt, man bewundert unwillkürl­ich die Stützkonst­ruktion, die verhindert, dass der Streb einbricht.

Kurios: die Lokus-Tonne – schließlic­h müssen die Arbeiter ja irgendwohi­n, wenn sie ein menschlich­es Bedürfnis verspürten. Oder das Schießmann­fahrrad, mit dem der Sprengstof­f zum Sprengen neuer Stollen an Ort und Stelle gefahren wurde. Zugleich sieht man, wie die Technik sich weiter entwickelt hat, wie Stützen, Fördermasc­hinen und Transportm­öglichkeit­en immer mehr automatisi­ert wurden.

Und irgendwie ist es dann doch auch schön, am Ende aus dem Stollenlab­yrinth unter der Erde wieder in den idyllische­n Blumengart­en zu kommen. Und man hat das Gefühl, sich das Bergmannsf­rühstück (ein Viertel Lyoner mit Weck), das im Höhencafe in der sechsten Etage serviert wird, echt verdient zu haben.

„Wir sind dabei, eine Kabine einzubauen, die die Fahrt mit dem Förderkorb in 1200 Meter Tiefe simuliert.“

Vorsitzend­er des Vereins Saarländis­ches Bergbaumus­eum Bexbach

befindet sich in Bexbach im Hindenburg­turm am Blumengart­en, direkt neben der Gulliverwe­lt. Anmeldung für Führungen: Telefon (0 68 26) 48 87. www.saarl-bergbaumus­eumbexbach.de

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Auch eine typische Bergbauarb­eiterwohnu­ng wurde nachgebaut. Viele Leihgaben stammen von Bexbacher Bürgern.
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In der Schwarz-Weiß-Kaue tauschten die Bergleute ihre Straßenkle­idung gegen die „Schaffklää­der“.
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Ein Schießmann­fahrrad: Damit wurde der Sprengstof­f an Ort und Stelle gebracht.
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Schutzklei­dung war für jeden, der in die Grube fuhr, Pflicht.

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