Der neue Anführer ist jung und zurückhaltend
Der Schwede Julius Lindskog Andersson will mit der HG Saarlouis durchstarten. Dem Heimdebüt am Samstag fiebert er entgegen.
SAARLOUIS Der neue Anführer der HG Saarlouis? Julius Lindskog Andersson schaut ein wenig verlegen. „Ich glaube, noch nicht“, sagt er. Es entspricht halt so gar nicht dem Naturell des 22-jährigen Schweden, ein gesteigertes Selbstmarketing zu betreiben. Vielmehr ist er ein typischer Skandinavier – ausgesprochen höflich, zurückhaltend, kollegial. Doch seine Rolle auf dem Feld ist unstrittig. Wenn der Handball-Zweitligist an diesem Samstag gegen die DJK Rimpar erstmals in der neuen Saison vor heimischem Publikum in der Stadtgartenhalle aufläuft (19.30 Uhr), wird Andersson derjenige sein, auf den der Fokus gerichtet ist. Er lenkt das Spiel, gibt das Tempo vor, dirigiert. Die Offensive liegt in seinen Händen.
Seit 10. Juli ist Andersson im Saarland – und hat bereits einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wer ihn spielen sieht, diesen vergleichsweise schmächtigen Mittelmann mit den langen Haaren, schwärmt von seiner Handball-Intelligenz, seiner Fähigkeit, in Bruchteilen einer Sekunde die richtige Entscheidung zu treffen, von seiner ungeheuren Explosivität. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die HG Saarlouis noch vor dem ersten Pflichtspiel vor knapp zwei Wochen im DHB-Pokal Anderssons Vertrag vorzeitig um ein Jahr bis 2019 verlängert hat. „Er hat sich sportlich wie menschlich hervorragend eingefügt und handballerisch absolut überzeugt“, sagt Trainer Jörg Bohrmann. Auch Vereins-Chef Richard Jungmann findet nur lobende Worte: „Wir glauben, dass er richtig einschlagen kann. Dass er zunächst nur einen Vertrag über ein Jahr hatte, war eher eine Vorsichtsmaßnahme von seiner Seite. Um zu sehen, wie es hier passt.“
Es passt. Andersson strahlt, wenn er über seinen neuen Verein spricht. „Dass viele im Team sehr jung sind, in meinem Alter, macht es einfacher. Und Saarlouis erinnert mich an Zuhause. Ich komme aus Ystad, einer kleinen Stadt in Schweden“, sagt er. Wobei das nur bedingt stimmt. Denn Andersson ist gefühlt ein halber Deutscher. Weswegen er froh ist, hier gelandet zu sein. „Ich wollte unbedingt wieder nach Deutschland. Ich mag das Land, ich mag die Leute. Und die 2. Liga hier ist ein guter Schritt für meine Entwicklung.“Sein Traum ist die Bundesliga, die beste Liga der Welt, da will er hin.
Anderssons Vater ist schon dort. Seit März 2015, als Trainer des HC Erlangen. Robert Andersson ist eine wichtige Bezugsperson für Julius. „Er hat mich als kleiner Junge schon trainiert. Hat mir immer geholfen, mir Ratschläge gegeben. Oder mich gelobt, wenn ich Dinge gut gemacht habe“, erinnert sich der Sohn. Und der Papa hatte die gesamte Familie, auch Julius’ ein Jahr jüngere Schwester (die kein Handball spielt), in seiner Karriere immer im Schlepptau. Von 1992 bis 1995 spielte Robert Andersson für Bayer Dormagen, nach einem kurzen Abstecher in der Schweiz von 1996 bis 1998 beim OSC Rheinhausen, dann bis 2003 bei der HSG Nordhorn und ein Jahr beim TuS N-Lübbecke, ehe es die Familie 2004 zurück in die Heimat verschlug. Julius, der 1995 geboren ist, spricht seither fließend Deutsch, er hat präsente Erinnerungen, vor allem an seine Schulzeit in Nordhorn.
In dieser Zeit hat Julius Lindskog Andersson gelernt, was es heißt, Profi zu sein. „Das Talent hat er in die Wiege gelegt bekommen. Aber er weiß auch, was er dafür tun muss. Wobei das für meine gesamte Mannschaft gilt“, sagt HG-Trainer Bohrmann. Er kennt Robert Andersson aus gemeinsamen Dormagener Zeiten. So war der Kontakt schnell hergestellt. Die HG Saarlouis suchte einen Nachfolger für den Spanier Ibai Meoki, der verletzungsanfällig war und nicht immer überzeugen konnte. Vater Andersson empfiehlt seinem Sohn den Schritt nach Saarlouis. Im Saarland wachsen, Verantwortung übernehmen. „Ich war zwei Tage zum Probetraining da“, sagt Julius: „Das hat mir sehr gut gefallen. Da war für mich klar, dass ich hier spielen möchte.“
Die Entscheidung hat er nicht bereut. Nach zweieinhalb Jahren beim norwegischen Erstligisten Fyllingen Bergen, wo er zuletzt auch Toptorjäger der Liga war, will er nun in Saarlouis durchstarten. Die ersten Spiele ließen sich gut an. In der ersten DHB-Pokalrunde, als die HG gegen den Drittligisten TV Großwallstadt sowohl in der regulären Spielzeit wie auch in der Verlängerung vor dem Aus stand, traf Andersson jeweils mit der Schlusssekunde zum Ausgleich. Tags drauf führte er seine Mannschaft zum Sieg gegen den Bundesligisten VfL Gummersbach. Nur beim Ligastart am vergangenen Sonntag in Nordhorn war trotz vier
Andersson-Toren nichts zu holen.
„Ich weiß, dass ich mich noch verbessern muss“, sagt Andersson: „In ganz vielen Punkten.“Dabei hat er bereits ein exzellentes Gespür, die Schwächen des Gegners zu erkennen – und eiskalt zuzuschlagen. Wie in Großwallstadt. „Wenn entscheidende Phasen sind“, sagt er, „will ich den Ball haben.“Er will Verantwortung übernehmen. Wie ein Anführer eben. Auch wenn er sich als solcher (noch) nicht bezeichnen möchte. Nur wenn es um Samstag geht, um sein Debüt vor den eigenen Fans, da gibt er seine Zurückhaltung für einen kurzen Moment auf: „Ich freue mich sehr darauf. Und ich will gewinnen. Unbedingt.“