Wie Parteien den Wähler im Internet ins Visier nehmen
G ez ielte O nline- Werb ung für einz elne G ruppen soll den Bundestagswahlkampf effiz ienter machen. Kritiker sehen G efahren für die Demokratie.
BERLIN (dpa) Eine spezielle Wahlwerbung für eine kleine Zielgruppe braucht nur wenige Klicks. Die gewünschte Altersgruppe auswählen und ein paar weitere Infos über die Adressaten hinzufügen und schon geht eine angepasste WahlkampfBotschaft bei Facebook online. Angesprochen werden dabei nur die ausgewählten Nutzer.
Möglich machen das Programme, die riesige Datenmengen durchforsten, die im Internet und vor allem bei den Sozialen Netzwerken gespeichert werden. Denn mit jedem Klick hinterlassen Internetnutzer dort Spuren. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto genauer kann dann eine Kampagne angepasst werden. Welche Ausmaße das haben kann, hat der amerikanische Wahlkampf gezeigt, vor allem die Kampagne Donald Trumps. „Trump hat im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf völlig widersprüchliche Aussagen an verschiedene Gruppen gesendet“, sagt Martin Emmer, Experte für Politische Kommunikation an der Freien Universität Berlin.
Mikrotargeting heißt die beschriebene Wahlkampf-Strategie im Internet. Bei diesem Verfahren können mit Hilfe der analysierten Datenmassen an immer kleinere Interessengruppen für sie zugeschnittene Botschaften gesandt werden. Neben Alter und Beruf können so auch der Musikgeschmack oder besuchte Veranstaltungen dafür sorgen, dass selbst Mitglieder einer Familie völlig unterschiedliche Botschaften derselben Parteien erhalten.
„Das ist die Zukunft von Wahlkämpfen: Es werden nicht mehr ganze Milieus angesprochen, sondern einzelne Gruppen dieser Milieus“, sagt André
Haller, Kommunikationswissenschaftler an der Uni Bamberg. Er ist sich sicher, dass gezielte Werbeanzeigen bei Facebook im Bundestagswahlkampf eingesetzt werden.
Die Daten seien aber auch wichtig für die Gesamtstrategie der Parteien, sagt Emmer. Denn auch in der realen Welt lassen sich die vor allem online ermittelten Daten etwa für den derzeit wieder in Mode gekommenen Haustürwahlkampf nutzen. Facebook nehme eine besondere Rolle ein. „Facebook ist Datenanalyse und Kommunikationsprodukt in einem“, sagt Emmer.
Zu den Möglichkeiten bei dem Sozialen Netzwerk gehören unter anderem sogenannte Dark Ads, spezielle Werbung, die genau auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten ist, aber nicht auf der Seite der Partei oder des Kandidaten auftaucht. Nur die ausgewählte Zielgruppe kann sie im Newsfeed sehen. Ein Beispiel: Im März schaltete die CSU eine Werbeoffensive auf Russisch und adressierte Facebook-Nutzer, die sich für den umstrittenen Nachrichtensender RT (ehemals Russia Today) interessieren. „Uns interessiert nicht der Sender RT, sondern uns interessieren die Deutschen aus Russland“, sagte damals CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
Auch die anderen Parteien nutzen im Wahlkampf Dark Ads und lassen sich das mitunter einiges kosten. „Wir geben als Bundespartei fünf Millionen Euro für den Wahlkampf aus, 500 000 Euro davon für den OnlineWahlkampf“, sagt etwa FDP-Sprecher Nils Droste. Vor allem über Google und Facebook nutze die Partei die Möglichkeit, Wähler präzise zu erreichen. Dabei würden aber nur anonymisierte Daten verwendet. „Wir verwenden keine Daten, die konkret auf einzelne Personen abzielen“, sagt Droste.
Die Grünen investieren eine Million Euro in Anzeigen und Spots im Internet. Zielgruppenwerbung, auch Dark Ads, nutzen sie ebenfalls. Zu den Adressaten gehören Tierschützer, Studenten oder Menschen in sozialen Berufen. Erfolgreiche Politikwissenschaftler Martin Emmer über die Möglichkeiten gezielter
Internet-Botschaften Kommunikation im Netz lebe davon, dass man durch gezielte Online-Werbung Internetnutzer individuell ansprechen könne, sagt Grünen-Wahlkampfmanager Robert Heinrich. „Man kommuniziert sonst einfach an den Leuten vorbei.“Damit der Wahlkampf transparent bleibe, werden alle Dark Ads der Grünen offen einsehbar auf deren Homepage gesammelt – allerdings ohne die eingesetzten Zielgruppen-Merkmale.
Doch welche Folgen hat es für die Demokratie, wenn bestimmte Botschaften nur an ausgewählte Wähler geschickt werden? „Wenn digitale Profile dazu genutzt werden, um kleinen Gruppen von Menschen zielgerichtet genau diejenigen politischen Botschaften zu vermitteln, die sie hören wollen, unterminiert das die Demokratie“, sagt Wolfie Christl. Digitale Wahlwerbung auf Basis von Nutzerdaten könnte manipulativ wirken, erklärt der Datenexperte aus Wien.
Wissenschaftler Emmer hält es für legitim, dass die Parteien mit den Online-Daten die Wünsche und Bedürfnisse der Wähler genauer ansprechen. „Das kann ja auch das Verhältnis von Politik und Wählern verbessern.“Problematisch werde es, wenn sich die Botschaften der Parteien an die unterschiedlichen Zielgruppen widersprechen oder gar Falschnachrichten verbreitet würden. Für Deutschland befürchtet er das aber momentan nicht: „Alle großen Parteien folgen da noch weitgehend ethischen Prinzipien.“
„Trump hat im Wahlkampf
völlig widersprüchliche Aussagen an verschiedene
Gruppen gesendet.“
Die meistgelesenen SZ-Artikel im Netz
Das waren gestern die meistgelesenen Artikel auf der Internetseite www.saarbruecker-zeitung.de
1. Drama in Dudweiler: Spurensuche nach tödlicher Attacke
2. Angriff auf Polizisten: Was wirklich in Eckelhausen geschah
3. Großrazzia: Saarpolizei sprengt mutmaßlichen Geldwäscherring www.saarbruecker-zeitung.de