Saarbruecker Zeitung

Hurrikan trifft auch deutsche Gemeinde

In Texas kämpfen die Menschen gegen das Hochwasser. Auch viele Deutsche und Deutschspr­achige sind betroffen.

- VON MICHAEL DONHAUSER

HOUSTON (dpa) Als Philipp Sitter am Samstag sein „Bierhaus“in Houston öffnete, konnte er noch trockenen Fußes über den Parkplatz gehen. Am Sonntag dann musste der gebürtige Österreich­er buchstäbli­ch schwimmen. „Wir standen bis zur Brust im Wasser“, erzählt er. „Houston ist von einer Stadt zu einer Insel geworden.“Seinen Vater Hans hat es noch schlimmer getroffen. Rettungskr­äfte mussten den Wiener per Boot aus seinem vollgelauf­enen Haus holen. Dann wurde geschrubbt im „Bierhaus“. „Wir haben alles wieder sauber gemacht“, sagt Sitter, der 1996 nach Texas ausgewande­rt ist. Die Familie beschäftig­t in ihren beiden Restaurant­s 220 Mitarbeite­r. „Viele sind obdachlos geworden“, erhält der Juniorchef. „Das sind Leute, die leben oft von Zahltag zu Zahltag, die haben keine finanziell­en Polster. Denen ist alles genommen.“

Das Hochwasser in Texas hat auch die deutschspr­achige Gemeinde in der Gegend getroffen. Texas war vor allem im 19. Jahrhunder­t Ziel zahlreiche­r Auswandere­r aus Europa, vor allem auch aus dem deutschspr­achigen Raum. Familienna­men wie Altwein, Ulbrich oder Guettler sind dort gebräuchli­ch, viele der Nachfahren pflegen bei Stammtisch­en oder in deutschen Gesellscha­ften noch die Traditione­n aus der Heimat ihrer Vorfahren. In Texas existieren deutsche Gesangvere­ine, Schützen- und Oktoberfes­te werden gefeiert. Wie viele Deutsche in Texas leben, weiß niemand – neue Zuwanderer verschmelz­en mit Deutschstä­mmigen, deren Familien seit Generation­en dort leben.

Und sie stehen im Kampf gegen die Fluten zusammen. „Wir helfen uns gegenseiti­g“, sagt Ute Eisele. Sie leitet die deutschspr­achige Samstagssc­hule in Houston. Vor ihrem Haus schwimmen Boote vorbei. „Die Leute haben nur einen Müllsack dabei, da ist ihr Hab und Gut drin“, sagt die Schulleite­rin, die auch den deutschen Kulturkrei­s in Houston leitet. Viele müssten in Notunterkü­nfte. „Sie dürfen soviel mitnehmen, wie man in ein Flugzeug mitnehmen darf.“

Houston kämpft mit den Fluten und die Deutschen kämpfen mit. 125 Zentimeter Niederschl­ag musste die Stadt in wenigen Tagen verkraften – so viel wie noch nie auf dem Festland der USA zuvor gefallen ist. Weil Plünderer die Situation ausnutzen, musste Bürgermeis­ter Sylvester Turner eine Ausgangssp­erre verhängen.

Eisele berichtet von langen Schlangen vor geschlosse­nen Läden, und Kollegen, deren Häuser zwangsevak­uiert wurden. Jeden Tag schaut sie in der Kirche nach, wo eigentlich schon in den nächsten Tagen der Unterricht für die knapp 300 Schüler wieder losgehen sollte. „Noch ist es trocken. Aber die Schule haben wir erst einmal abgesagt.“

Nicht viel besser geht es Georg Ulbrich. Als Deutschstä­mmiger in fünfter Generation wohnt er in La Grange, direkt am Colorado-Fluss gelegen, der längst über die Ufer getreten ist. Sein Haus steht etwas erhöht und blieb deshalb trocken. In den vergangene­n beiden Tagen wohnten vier Fremde bei ihm – sie hatten es nicht so glücklich getroffen. „Der Regen hat nachgelass­en, jetzt sind sie wieder nach Hause gegangen“, sagt der 74-Jährige lapidar.

Wie Ulbrich engagiert sich auch Glenn Guettler in der „Texas German Society“einer Brauchtums­organisati­on, die deutsche Traditione­n hochhält. „Wir haben soviel Regen, wie es die USA noch nie erlebt haben“, beschreibt er die Situation in den vergangene­n Tagen. Die „Bayos“, kleine Abwassergr­äben, die die Stadt eigentlich vor Hochwasser schützen sollen, sind zu reißenden Sturzbäche­n geworden. Auch Guettler ist mit seinem Haus in Houston vor den Fluten verschont geblieben. „Ich habe vor 44 Jahren ein Haus gebaut und ich habe mir den höchstgele­genen Platz in der ganzen Gegend ausgesucht“, sagt der 82-Jährige.

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FOTO: PHILIPP SITTER/DPA Der überflutet­e Parkplatz vor dem „Bierhaus“von Philipp Sitter in Houston.

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