Wilder Ritt durch die Republik
Neu im Kino: „The Magical Mystery oder Die Rückkehr des Karl Schmidt“von Arne Feldhusen – Tragikomödie über eine skurrile Tour
„Manchmal bewegt sich einer nicht, aber deshalb ist er noch lange nicht tot“, sagt Charlie, als der Alligator aus der Starre heraus plötzlich nach dem Fisch schnappt. Aber eigentlich spricht er hier über sich selbst. Charlie (Charly Hübner) hat sich seit fünf Jahren nicht mehr aus seiner kleinen, klar umgrenzten Welt der therapeutisch betreuten Drogen-WG rausbewegt. Man kann sich kaum vorstellen, dass der schwere, große Langsamsprecher in der aufkommenden Berliner Technoszene einmal ein echter Partytiger und vielversprechender Künstler war.
Mit den Drogen kam ausgerechnet am Tag der Maueröffnung der Absturz und seitdem lebt Charlie ein Leben in der Warteschleife. Aber dann taucht Raimund (Marc Hosemann) auf. Der Kumpel aus der Techno-Szene betreibt zusammen mit Freund Ferdi (Detlev Buck) einen Club und ein Plattenlabel, mit dem sie stinkreich geworden sind. Aber all der Erfolg und das viele Geld langweilt die Techno-Pioniere. Sie wollen wieder zurück zu den Wurzeln und mit einem Kleinbus voller befreundeter DJs auf Tour gehen. Ihnen fehlt nur noch ein Fahrer, der keinerlei Drogen zu sich nimmt.
Und so kurvt Charlie mit der Techno-Combo kreuz und quer durch Deutschland, von der BehindertenDisco in SchrankenhusenBorstel bis zum Messehallen-Rave in Essen. „Ihr seid doch so Techno-Typen. Ihr steht doch drauf, wenn sich alles wiederholt. Macht ihr einfach noch einmal Hafenrundfahrt und Fischessen“, rät eine Hamburgerin den vergnügungssuchenden Touristen.
Damit wird durchaus selbstirionisch nicht nur das musikalische Sujet charakterisiert, sondern auch das dramaturgische Problem des Films benannt. Denn Regisseur Arne Feldhusen („Stromberg“/„Der TatortReiniger“) setzt auf Redundanz als Erzählprinzip. Das ist anfangs noch komisch, wenn die DJ-Bande gleich dreimal hintereinander den selben Weg zum selben China-Nudel-Laden zurücklegt, führt aber im Verlauf der Tour zunehmend zu einer gewissen Langatmigkeit.
Es ist ja ein weit verbreiterter Irrtum, dass es automatisch Mitte der Neunziger: Der ehemals drogenabhängige Charlie (Charly Hübner) fährt seine alte Clique quer durch Deutschland. Die bunte Truppe ist mit ihrem erfolgreichen Techno-Plattenlabel auf RaveTour. Spaß machen muss, anderen beim Spaßhaben zuzuschauen. Das gilt in besonderem Maße, wenn Drogen zuhilfe genommen werden. Dennoch ist „Magical Mystery“ein sehenswerter Film. Und das ist einzig und alleine Charly Hübner zu verdanken. Mit fein reduzierter Mimik spielt er die medikamentös abgedämpften Emotionen seiner Figur und hält eine Begräbnisrede für ein Meerschweinchen, die einem fast das Herz raus reißt. (D 2017, 111 Min., Camera Zwo Sb; Regie: Arne Feldhusen; Drehbuch: Sven Regener)