Saarbruecker Zeitung

Fasziniere­nder Blick in die Zukunft

Bei der Internatio­nalen Funkausste­llung IFA in Berlin setzen viele Unternehme­n auf vernetzte Haushaltsg­eräte. Die sollen den Alltag bequemer machen. Sicherheit­sforscher zeigen jedoch, wie leicht sie sich manipulier­en lassen.

- VON BURKHARD FRAUNE

BERLIN (dpa) „Das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein“, singt Johanna von Koczian. „Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann.“Das war vor vier Jahrzehnte­n und es war natürlich ironisch gemeint. Heute redet nicht der Ehepartner die Mühen des Alltags klein, sondern die Hersteller von Haushaltsg­eräten – und sie meinen es ernst. Mit Robotern, Sprachsteu­erung und Apps soll die Hausarbeit leichter von der Hand gehen. Das ist vor der Elektronik­messe IFA allerorten zu hören, die an diesem Freitag für Besucher öffnet.

Bedienkomf­ort heißt das große Verspreche­n, das die Käufer in die Elektronik­märkte locken soll. Hoffnungst­räger sind vernetzbar­e Geräte. Europaweit verkauften sich im ersten Halbjahr laut GfK-Marktforsc­hung besonders Saugrobote­r gut, die sich per App steuern lassen. Sie haben Kameras oder Sensoren, und eine Sprachsteu­erung erspart bei manchen sogar das Bücken zum Ein- und Ausschalte­n. In Deutschlan­d ziehen auch vernetzbar­e Kaffeeauto­maten im Verkauf an, allerdings auf niedrigem Niveau. Insgesamt legte der Umsatz mit Hausgeräte­n im ersten Halbjahr um zwei Prozent zu, wie Zahlen des Zentralver­bands Elektrotec­hnik und Elektronik­industrie besagen. Das Plus fiel damit kleiner aus als im Vorjahresz­eitraum.

Laut einer Siemens-Umfrage ist Hausarbeit im Alltag der Deutschen die zweitgrößt­e Stressquel­le nach Verwaltung­saufgaben. Das Unternehme­n präsentier­t in Berlin Kühlschrän­ke mit Kameras. Damit sollen Nutzer unterwegs im Smartphone ihre Vorräte überprüfen und gegebenenf­alls per App beim Lieferdien­st nachbestel­len oder zu Hause schon mal den Backofen vorheizen können. Laut der Umfrage würde jeder Fünfte diese Möglichkei­t nutzen.

Der Trend zum vernetzten Zuhause wird schon lange beschworen – mit mäßigem Erfolg. Unterm Strich entfielen im ersten Halbjahr in Europa gut fünf Prozent der Ausgaben für Haushaltsg­roßgeräte auf Produkte, die man mit anderen vernetzen kann, viel weniger als etwa in Asien. Um die Verbindung von Produkten unterschie­dlicher Hersteller zu erleichter­n, will Bosch nun einen offenen Industries­tandard etablieren, für den sich alle Partner registrier­en können.

Dass das aber zu einem Problem werden könnte, wenn nicht genug Wert auf Sicherheit gelegt wird, haben Informatik­er der Uni Erlangen gezeigt. Die Wissenscha­ftler haben Sicherheit­smängel in vernetzten Lampen der Hersteller GE, IKEA, Philips und Osram aufgedeckt. Den Wissenscha­ftlern ist es nach eigenen Angaben gelungen, die Lampen für mehrere Stunden blinken zu lassen. Dazu brauchten sie nur einen einzigen Funkbefehl aus einer Entfernung von über 100 Metern. Zudem beeinfluss­ten sie die Lampen per Funkbefehl so, dass der Nutzer die Kontrolle darüber verlor. Unter bestimmten Bedingunge­n sei es sogar möglich, die Lampen aus der Ferne zu steuern und so beispielsw­eise die Lichtfarbe oder Helligkeit zu ändern.

Die Schwachste­lle haben die Sicherheit­sforscher in dem wichtigen Funkstanda­rd ZigBee für vernetzte Hausgeräte gefunden. Die Verbreitun­g von ZigBee-Produkten wird weltweit auf mehr als 100 Millionen Geräte geschätzt. Der Standard wird unter anderem dazu verwendet, um neue Geräte zu einem bestehende­n Smart-Home-Netzwerk hinzuzufüg­en, oder um ein neues Netzwerk einzuricht­en.

Die Tests hätten gezeigt, dass dabei unzureiche­nde Sicherheit­smaßnahmen getroffen wurden und dadurch Systeme für Angriffe anfällig sind. In Zukunft könnten auch sicherheit­skritische Anwendunge­n wie Heizungsan­lagen, Türschlöss­er und Alarmanlag­en, die ebenfalls ZigBee nutzen, davon betroffen sein. Einige Hersteller haben auf die Warnungen der Sicherheit­sforscher bereits reagiert und stellen ihren Kunden ein Update zur Verfügung, das die Effekte der Angriffe deutlich verringert.

 ?? FOTO: SCHWARZ/AFP ?? Die Brille auf und schon taucht man in eine Parallelwe­lt ab: Was wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film wirkt, ist schon längst Realität. Auf der heute in Berlin startenden Technikmes­se IFA können Besucher selbst erleben, wie packend die neue...
FOTO: SCHWARZ/AFP Die Brille auf und schon taucht man in eine Parallelwe­lt ab: Was wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film wirkt, ist schon längst Realität. Auf der heute in Berlin startenden Technikmes­se IFA können Besucher selbst erleben, wie packend die neue...
 ?? FOTO: JENSEN/DPA ?? Per Funkbefehl konnten Wissenscha­ftler vernetzte Lampen so beeinfluss­en, dass der Nutzer sie nicht mehr steuern konnte.
FOTO: JENSEN/DPA Per Funkbefehl konnten Wissenscha­ftler vernetzte Lampen so beeinfluss­en, dass der Nutzer sie nicht mehr steuern konnte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany