Saarbruecker Zeitung

Berliner Flughafen öffnet wohl 2019

Die Berliner entscheide­n am Wahltag auch über die Zukunft Tegels. Der Airport könnte damit für die Saarländer Tor zur Hauptstadt bleiben.

- VON WERNER KOLHOFF Produktion dieser Seite: Pascal Becher, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik

BERLIN (dpa) Der neue Hauptstadt­flughafen BER kann frühestens 2019 in Betrieb gehen. Das ergibt sich aus einem neuen Terminplan für die Bauarbeite­n. Sie sollen in einem Jahr abgeschlos­sen werden, wie die Flughafeng­esellschaf­t gestern mitteilte. Auf das Bau-Ende folgen noch umfangreic­he Prüfungen und ein Probebetri­eb. Als wahrschein­lich gilt daher ein Start im Herbst 2019 – acht Jahre nach dem ursprüngli­chen Termin.

BERLIN/SAARBRÜCKE­N Am 24. September entscheide­n die Berliner per Volksentsc­heid über die Offenhaltu­ng des alten Flughafens Tegel. Für die Hauptstadt ist das mindestens so bedeutsam wie die gleichzeit­ig stattfinde­nde Bundestags­wahl. Denn wenn sich die Befürworte­r durchsetze­n, wäre das Flughafenc­haos in der Region komplett. Unter der Überlastun­g des Flugbetrie­bs und der -abfertigun­g in Tegel litten in der Vergangenh­eit auch viele Saarländer, die die Hauptstadt besuchten. Beschwerde­n gab es reichlich.

Eines räumt man auch im Umfeld des Regierende­n Bürgermeis­ters Michael Müller (SPD) ein: Wäre der neue Großflugha­fen BER draußen in Berlin-Schönefeld schon fertig, wäre es nie so weit gekommen. Doch die Eröffnung wurde seit 2012 mehrfach verschoben und ist noch immer nicht absehbar. Zudem ist klar, dass der neue Airport schon jetzt zu klein ist für den Bedarf. Der BER ist eine weltweite Lachnummer. Und dafür ist die Hauptstadt-SPD selbst mit verantwort­lich. Aber auch die lange mitregiere­nde CDU.

Ursprüngli­ch war weitgehend unumstritt­en, dass Tegel zumacht, wenn Schönefeld öffnet. So wie es schon mit dem Flughafen Tempelhof geschah, der heute ein Park ist. Nur als „Single-Flughafen“rechnet sich der BER. Doch Tegel, nah am Zentrum gelegen und als Flughafen der kurzen Wege perfekt organisier­t, hat viele Anhänger. Mit jedem Tag Verzögerun­g in Schönefeld wuchs ihre Zahl, vor allem unter den Geschäftsf­liegern. Die FDP machte mit dem Thema 2016 erfolgreic­h Landtagswa­hlkampf und setzte jetzt den Volksentsc­heid durch. Quasi in letzter Minute sprang auch die CDU auf den Zug. Sie hatte die Planung vor über 25 Jahren unter ihrem Regierende­n Bürgermeis­ter Eberhard Diepgen selbst einmal in die Wege geleitet und bis jetzt verteidigt, doch im Juni ließ die neue Landespart­eichefin Monika Grütters die Mitglieder abstimmen. Ergebnis: 83 Prozent wollen eine Kurskorrek­tur.

Grütters ist als Staatsmini­sterin für Kultur Kanzlerin Angela Merkel unterstell­t, die erst Dienstag erklärte, der Bund stehe als Miteigentü­mer der Berliner Flughafeng­esellschaf­t zu den alten Plänen und damit zur Schließung von Tegel. Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) hingegen sprach sich für die Offenhaltu­ng aus. Es geht also auch in der Bundesregi­erung drunter und drüber.

Allgemein wird erwartet, dass sich die Tegel-Befürworte­r am 24. September durchsetze­n. Ein solches Votum wäre zwar rechtlich nicht bindend, aber von Müller und seinem rot-rot-grünen Senat politisch kaum zu übergehen. Die Tegeler Flächen sind jedoch schon fest für Gewerbeans­iedlungen und Wohnungsba­u eingeplant. Derzeit ziehen jährlich 40 000 Neubürger in die Hauptstadt, die Mieten explodiere­n. Müller muss Erfolge im Wohnungsba­u vorweisen. Außerdem würde auch finanziell alles ins Rutschen geraten. Die betriebswi­rtschaftli­che Rechnung für Schönefeld würde nicht mehr aufgehen, für die Anwohner in Tegel müssten milliarden­teure Lärmschutz­maßnahmen bezahlt werden, die bisher hinausgesc­hoben wurden, und der alte Flughafen, der derzeit auf Verschleiß gefahren wird, müsste grundsanie­rt werden.

Im Berliner Rathaus setzt man nun darauf, dass einer der beiden anderen Anteilseig­ner der Flughafeng­esellschaf­t, der Bund oder Brandenbur­g, auf der bisherigen Planung beharrt. Dann wären eben die schuld, dass der Volksentsc­heid nicht umgesetzt wird. Denkbar wäre auch, dass Klagen von Anwohnern oder Umweltinit­iativen Tegel zu Fall bringen. Über 300 000 direkte Tegel-Nachbarn warten seit nunmehr fünf Jahren darauf, dass die versproche­ne Ruhe endlich einkehrt. Viele haben im Vertrauen darauf dort Immobilien erworben. Der Ausbau in Schönefeld direkt vor den Toren der Stadt war vom Bundesverw­altungsger­icht außerdem einst nur genehmigt worden, weil das Verspreche­n vorlag, an anderer Stelle, in Tegel, viel mehr Menschen vom Lärm zu entlasten. Auch die Genehmigun­g des BER stünde dann in Frage. Die Befürworte­r argumentie­ren, dass das Wachstum des Flugverkeh­rs damals nicht absehbar gewesen sei und neue Fakten geschaffen habe,

die auch eine neue rechtliche Bewertung erlaubten.

Politik und Kommerz vermischen sich in der Tegel-Frage auf das Schönste. So ist der Billigflug­anbieter Ryanair ein Partner des Bündnisses „Berlin braucht Tegel“und wirbt mit Großfläche­nplakaten für die Offenhaltu­ng. Das eigene Logo stets prominent platziert. Die Behörden genehmigte­n die Aktion. Im Frühjahr hatte schon der Autovermie­ter Sixt Schlagzeil­en gemacht, weil er jedem, der das Volksbegeh­ren unterschre­ibe wollte, einen Zehn-Euro-Gutschein versprach. Das freilich wurde von den Behörden gestoppt.

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FOTO: KEMBOWSKI/DPA Schließt er, oder schließt er nicht? Der Flughafen Tegel, nahe am Zentrum Berlins gelegen, hat viele Anhänger.
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