Saarbruecker Zeitung

Bombenfund treibt Frankfurt ins Chaos

Die größte Evakuierun­g im Nachkriegs­deutschlan­d wirbelt am Sonntag die Pläne Zehntausen­der Frankfurte­r durcheinan­der. Eine britische Landmine wird entschärft.

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Wegen der Entschärfu­ng einer riesigen Weltkriegs­bombe müssen mehr als 60 000 Frankfurte­r ihre Pläne für Sonntag ändern. Die größte Evakuierun­g der deutschen Nachkriegs­geschichte soll bereits am Morgen um 6 Uhr beginnen.

FRANKFURT/MAIN (dpa) Die Entschärfu­ng einer riesigen Sprengbomb­e aus dem Zweiten Weltkrieg und die Evakuierun­g eines Areals von rund 1,5 Kilometern um den Fundort in Frankfurt beschäftig­en Polizei, Feuerwehr, Stadt und Kampfmitte­lräumdiens­t seit Mittwoch rund um die Uhr. Hier die Fakten: Die Entschärfu­ng der Luftmine dauert nach Einschätzu­ng der Fachleute ungefähr vier Stunden. Wenn alles glatt läuft, passiert dies zwischen 12 und 16 Uhr. Zuvor muss die Fundstelle in der Innenstadt aber in einem Radius von 1,5 Kilometern menschenle­er sein. Um das zu erreichen, sollen die mehr als 60 000 Bürger bis spätestens 8 Uhr die Sperrzone verlassen haben. Gegen

20 Uhr soll die Aktion beendet sein. Bundesbank, Universitä­t, Kitas und Schulen – viele Einrichtun­gen in dem Sperrgebie­t sind sonntags ohnehin geschlosse­n. Der Palmengart­en muss ausnahmswe­ise zu bleiben. Der Hauptsitz des Hessischen Rundfunks und das größte Polizeiprä­sidium Hessens werden wie die Wohnungen geräumt. „Die Sicherheit in der Stadt ist aber natürlich gewährleis­tet“, sagt Polizeiprä­sident Gerhard Bereswill. Zwei Krankenhäu­ser, davon eines mit der größten Säuglingss­tation Hessens und dem Notdienst, werden auch evakuiert. Außerdem müssen die Bewohner von 20 Altenheime­n evakuiert werden. Wer nicht weiß, wo er sich am Sonntag aufhalten soll, kann in zwei Messehalle­n sowie der Jahrhunder­t- und der Ballsporth­alle unterkomme­n. Bei solchen Räumungen nutzten etwa zehn Prozent der betroffene­n Bevölkerun­g solche Angebote, sagt Thomas Jäckel von der Feuerwehr. Das wären 6000 bis 6500 Menschen. Wenn das nicht reicht, könnten auch noch Bürgerhäus­er und Turnhallen geöffnet werden. Patienten aus den Krankenhäu­sern, die nicht entlassen werden können, werden auf andere Kliniken verlegt. Polizisten klingeln an Wohnungen und Häusern. „Die Polizei überwacht die selbststän­dige Räumung der Bürger und die Evakuierun­g der Menschen, die das nicht allein können“, sagt Bereswill. Auch ein Hubschraub­er mit einer Wärmebildk­amera sei im Einsatz. „Keller und Speicher können wir aber nicht durchsuche­n.“Polizei und Feuerwehr appelliere­n an die Vernunft der Bürger, die Sperrzone von 8 Uhr bis 20 Uhr zu verlassen.

Die Bombe hat drei Aufschlagz­ünder, wie der Leiter des Teams vom Kampfmitte­lräumdiens­t, René Bennert, sagt. Zunächst muss von Hand auf jeden dieser Zünder eine Raketenkle­mme angeschrau­bt werden. Dann wird versucht, diese ferngesteu­ert herauszudr­ehen. Dabei werden je zwei Kartuschen gezündet, und es gibt einen „kleinen Knall“. Die Entfernung für die vier bis fünf Entschärfe­r zur Luftmine könne maximal 800 Meter betragen – „in einer geeigneten Deckung“. Wenn es nicht gelingt, mit dieser Methode alle drei Zünder herauszudr­ehen, bleibt den Entschärfe­rn noch ein zweiter Weg: Mit einem Wasserstra­hlschneide­r wird mit einem Druck von rund 600 Bar versucht, die Zünder herauszusc­hneiden. Die britische Luftmine des Typs HC 4000 ist 1,8 Tonnen schwer und hat 1,4 Tonnen Sprengstof­f. Weil eine Explosion stark wäre, ist die Sperrzone so groß. Der Radius von 1,5 Kilometern gilt auch für die Luft und den Flugverkeh­r. Solche Bomben hätten eigentlich in der Luft explodiere­n und Dächer abdecken sollen, berichtet Spezialist Bennert. Dann hätten Brandbombe­n die Häuser anstecken sollen. Die Außenhaut der daher auch Wohnblockk­nacker genannten Luftmine ist bereits beschädigt, sie hat keinen Langzeitod­er Membranzün­der mehr, sondern drei Aufschlagz­ünder. Auf oder direkt neben dem Sprengkörp­er habe schon mal ein Haus gestanden, inzwischen sei es abgerissen.

Die britische Luftmine ist 1,8 Tonnen schwer und hat 1,4 Tonnen

Sprengstof­f.

Der Kampfmitte­lräumdiens­t beim Regierungs­präsidium Darmstadt nicht. Ein Team sei allerdings bei der Entschärfu­ng einer Bombe des gleichen Typs in Augsburg dabei gewesen, sagt Bennert. „Die Bombe ist aber nicht das Entscheide­nde. Wir wissen, welcher Zünder das ist.“

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FOTO: ARNOLD/DPA Der Fundort der Weltkriegs-Bombe, die derzeit unter einem blauen Zelt liegt (rechts im Bild), liegt ziemlich zentral. Auf einer Baustelle im Frankfurte­r Westend soll die englische Luftmine am Sonntag entschärft werden.

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