Saarbruecker Zeitung

Alex Zverev verliert Geduld mit sich selbst

Der 20-jährige Tennis-Profi aus Hamburg startet als Mitfavorit in die US Open und scheitert in Runde zwei. Eine herbe Enttäuschu­ng.

- VON KRISTINA PUCK

Die deutsche Tennis-Hoffnung Alexander Zverev ist bei den US Open überrasche­nd in der zweiten Runde ausgeschie­den. Nach der Pleite verlor der 20-Jährige die Geduld: Zverev will endlich die Erfolge feiern, die ihm viele zutrauen.

NEW YORK (dpa) Extrem genervt schlurfte Alexander Zverev nach seinem unerwartet­en Zweitrunde­n-Aus bei den US Open durch die Flure des Arthur-Ashe-Stadions. Der 20-Jährige war angefresse­n – und wie. Dass er eine glänzende Zukunft vor sich habe, will er nicht mehr hören. Das größte deutsche Tennis-Talent seit Boris Becker will diese Zeiten erleben. Jetzt – und nicht irgendwann.

„Ich habe keine Lust mehr aufs Lernen“, wiederholt­e Zverev nach dem 6:3, 5:7, 6:7 (1:7), 6:7 (4:7) gegen den Kroaten Borna Coric und demonstrie­rte, wie sicher er sich seines Potenzials ist: „Ich weiß, ich hätte hier etwas Großes schaffen können. Vom Tennis-Standpunkt her habe ich das Gefühl gehabt, dass ich einer der Favoriten war.“Doch nun geht das Turnier in Flushing Meadows nach dem dritten Turnier-Tag ohne die deutschen Stars Zverev und Angelique Kerber weiter, für den Deutschen Tennis-Bund eine herbe Enttäuschu­ng.

Vor den US Open hatte der Hamburger mit seinen Turniersie­gen in Washington und Montreal bewiesen, warum in ihm so viele – darunter Boris Becker und der Schweizer Roger Federer – einen künftigen Branchenan­führer und Grand-Slam-Sieger sehen. Nach dem Sprung in der Weltrangli­ste auf Platz sechs und den Absagen der Stars Novak Djokovic, Andy Murray und Stan Wawrinka war Zverev im Tableau der am höchsten platzierte Profi in seiner Hälfte gewesen. Doch die letzten Wochen, die Fakten und lobenden Worte zählten auf dem Platz nichts mehr.

Zverev agierte in der Nacht zu Donnerstag in den langen Grundlinie­nduellen mit dem ebenfalls als großem Talent gepriesene­m Kroaten zu passiv. Hätte er beim Stand von 6:5 im vierten Abschnitt einen der drei Satzbälle in Serie genutzt, hätte er das Match gegen die körperlich abbauende Nummer 61 der Welt womöglich dennoch gedreht. Bei einem war Pech dabei, der Ball von Coric berührte gerade eben die Linie. Aber der Konkurrent aus Junioren-Zeiten verdiente sich in dem Kampf über 3:26 Stunden auch den Sieg. „Ich dachte, Alex war in der Form seines Lebens“, bedauerte der deutsche Herren-Chef Becker. Er sah sich getäuscht.

Zverev selbst schien sich ziemlich sicher gewesen zu sein, dass ihn in den ersten Runden keiner stoppen könne, und ging hart mit sich ins Gericht. „Von meinem Level her war es ziemlich katastroph­al“, sagte er. Sein Bruder Mischa Zverev, der selbst den Drittrunde­neinzug schaffte, mutmaßte, der Jüngere werde tagelang über das Warum grübeln. Grund zum Rätseln gibt zum Beispiel auf, warum genau es für die frühere Nummer eins der Junioren bei den Grand-Slam-Turnieren nicht läuft. Auf die Frage wusste Zverev spontan keine Antwort.

Fünf Turniersie­ge halten die Statistike­n für ihn in diesem Jahr fest, darunter zwei Masters. Seine Bilanz für die bedeutends­ten Plätze seines Sports liest sich dagegen mau: Drittrunde­n-Aus bei den Australian Open, Erstrunden-Pleite bei den French Open. Achtelfina­l-Niederlage in Wimbledon. Und nun Schluss in der zweiten Runde in New York. Sein Lernprozes­s scheint noch nicht abgeschlos­sen. Die Tipps des früheren Weltrangli­sten-Ersten Juan Carlos Ferrero, dem Neuzugang im Trainersta­b,

haben offensicht­lich noch nicht gefruchtet. „Jetzt braucht er Erfahrung“, sagte Mischa Zverev.

Eine Chance, sich auf großer Bühne zu beweisen, wird Zverev in diesem Jahr wohl noch bekommen. Für die ATP-WM im November in London qualifizie­rt er sich ziemlich sicher. „Hoffentlic­h kann ich mich dann nächstes Jahr wieder in die Position bringen, einer der Favoriten bei den Grand Slams zu sein“, blickte der Hamburger voraus.

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FOTO: CORTEZ/DPA Für Alexander Zverev, einen der Topfavorit­en auf den Titel, sind die US Open überrasche­nd früh beendet.

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