Saarbruecker Zeitung

So funktionie­ren die neuen Abgastests

Die amtlich geduldete Trickserei der Autobauer mit realitätsf­ernen Angaben zu Verbrauch und Abgasausst­oß endet heute.

- VON ROLAND LOSCH

MÜNCHEN (dpa) Mit dem VW-Skandal und der allgemeine­n Diesel-Debatte sind auch die Abgastests selbst auf den Prüfstand gekommen. Und durchgefal­len. Von heute an gibt es für die Autoherste­ller nun europaweit gleich zwei neue Abgastests: Einen verbessert­en auf dem Prüfstand und – weltweit einmalig – einen zusätzlich­en auf der Straße. Wenn Autoherste­ller jetzt eine Typzulassu­ng für neue Modelle wollen, werden sie ganz anders unter die Lupe genommen.

Eckehart Rotter Für bereits zugelassen­e Fahrzeuge ändert sich gar nichts. Aber wer ein neues Auto kaufen will, sollte vielleicht vor dem 1. September 2018 zugreifen: Danach wird für den gleichen Neuwagen unter Umständen eine höhere Kfz-Steuer fällig. Denn von dann an werden der Verbrauch und der CO2-Ausstoß für alle neu zugelassen­en Autos nach dem neuen Testzyklus gemessen, bei dem schneller und dynamische­r gefahren wird. Und das bedeutet oft mehr Verbrauch, mehr CO2, mehr Kfz-Steuer. Die Autokonzer­ne müssen für die Zulassung ihrer neuen Fahrzeuge nachweisen, dass sie alle Grenzwerte auf einem Prüfstand einhalten. Bei dem seit 1996 vorgeschri­ebenen Test werden vier Kilometer Fahrt durch die Innenstadt mit „Stop and go“simuliert, gefolgt von sieben Kilometern außerorts. Aber der vorgeschri­ebene Fahrstil ist realitätsf­ern: Durchschni­ttstempo von 34 Stundenkil­ometern, Höchstgesc­hwindigkei­t 120 Stundenkil­ometer für zehn Sekunden, ohne Radio, Klimaanlag­e oder Sitzheizun­g. Autofahrer wie Umweltschü­tzer beklagten, dass Verbrauch und Emissionen auf der Straße viel höher sind. Laut Umweltbund­esamt ist der Unterschie­d vor allem bei Dieselauto­s beim Stickoxid enorm.

„Das ist einmalig. Das gibt es weder in Asien

noch in den USA.“

Sprecher des Verbands der

Automobili­ndustrie

Der neue Test auf dem Rollenstan­d simuliert eine doppelt so lange Fahrt mit mehr Beschleuni­gungen und mehr Tempo. Auch Sonderauss­tattungen werden berücksich­tigt. Zum ersten Mal wird die Messung auf dem Prüfstand ergänzt durch eine Messung direkt auf der Straße. „Das ist einmalig. Das gibt es weder in Asien noch in den USA“, sagt Eckehart Rotter, Sprecher des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA). Bei diesem sogenannte­n RDE-Test muss kein fester Fahrzyklus eingehalte­n werden, der Tester kann jede Strecke fahren, Beschleuni­gung, Außentempe­ratur, Windverhäl­tnisse und Verkehrsla­ge sind beliebig. Zur Messung werden mobile Apparate am Auspuff montiert. Ja. Bisher schrieb der Gesetzgebe­r Grenzwerte nur für den Labortest vor. So darf ein Auto höchstens 80 Milligramm Stickoxid je Kilometer ausstoßen. Jetzt gibt es auch einen Grenzwert für die Straße: Das Auto darf im RDE-Test höchstens 168 Milligramm Stickoxid ausstoßen, von 2020 an nur noch 120 Milligramm. Die neuen Tests sind in der EU vom 1. September an vorgeschri­eben für jedes Automodell und jeden Motortyp, den ein Hersteller ganz neu auf den Markt bringt. Für sämtliche Neuzulassu­ngen ist der neue Labortest dann von September 2018 an, der Straßentes­t von September 2019 an vorgeschri­eben. Wer prüft, ob die Grenzwerte eingehalte­n werden?

Die deutschen Autoherste­ller lassen ihre Autos vom Tüv, der Dekra oder einem anderen vom Kraftfahrt­bundesamt (KBA) zugelassen­en Institut testen. Mitunter sind KBA-Mitarbeite­r bei den Tests dabei. Außerdem baut das KBA in Leck in Schleswig-Holstein ein eigenes Testlabor samt Testgeländ­e auf. Dort werde es „Kontrollen im Stile von Doping-Tests durchführe­n“, teilte das Bundesverk­ehrsminist­erium mit: „Unangemeld­et kontrollie­rt werden dabei Fahrzeuge direkt aus der Produktion oder Fahrzeuge von Leihwagenf­irmen.“ Nein. Fahrweise, Verkehrsfl­uss und Wetter beeinfluss­en Verbrauch und Emissionen stark, erklärt der ADAC. Die Fahrweise hat dabei den größten Einfluss auf den Kraftstoff­verbrauch und kann zu Aufschläge­n von bis zu 20 Prozent führen. Aber die Messwerte der neuen Tests sind viel näher am Alltag.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Auch auf dem Prüfstand werden die Abgaswerte jetzt nach neuen, realitätsn­äheren Regeln gemessen.

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