Saarbruecker Zeitung

„Regieren nur mit liberaler Handschrif­t“

Der FDP-Vorsitzend­e will nach einem möglichen Wiedereinz­ug seiner Partei in den Bundestag einen Schwerpunk­t auf die Bildungspo­litik setzen.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE STEFAN VETTER

BERLIN Der Wiedereinz­ug seiner Partei in den Bundestag nach vier Jahren außerparla­mentarisch­er Opposition steht für FDP-Chef Christian Lindner praktisch außer Frage. Aber Lindner will mehr: eine Neuauflage von Schwarz-Gelb.

Herr Lindner, was ist das Neue an der neuen FDP?

LINDNER Für die FDP hat die Bildungspo­litik höchste Priorität, weil wir den einzelnen Menschen stark machen wollen. Wir schützen ihn vor allem, was klein macht: zu viel Bürokratie, zu hohe Steuern, aber auch übermächti­ge Konzerne. Unveränder­t setzen wir uns für Menschen ein, die unser Lebensgefü­hl teilen und selbstbest­immt leben wollen. Mit einem Staat als Partner und nicht als Vormund.

Wie wollen Sie verhindern, dass sich das Szenario der letzten FDP-Regierungs­beteiligun­g im Bund wiederholt? Erst ein großer Wahlerfolg, dann große Enttäuschu­ng

Ihrer Wähler.

LINDNER Bei aller Bereitscha­ft zur Selbstkrit­ik werde ich mit unserer Regierungs­bilanz zwischen 2009 und 2013 mit jeder weiteren Woche der großen Koalition zufriedene­r. Denn ein drittes Griechenla­nd-Rettungspa­ket, eine außer Kontrolle geratene Flüchtling­spolitik und eine kurzsichti­ge Rentenpoli­tik hätte es mit der FDP nicht gegeben. Wir treten nur dann in eine Regierung ein, wenn wir eine liberale Handschrif­t zeigen können.

Zum Beispiel durch die Übernahme des Bildungsre­ssorts?

LINDNER Der Verzicht auf das Finanzress­ort 2009 war sicher ein Fehler. Auch jetzt wollen wir eine Entlastung der Mitte, aber die Prioritäte­n haben sich geändert. Wir wollen mehr tun für Bildung, Digitalisi­erung und Bürgerrech­te. Die FDP ist jetzt breiter aufgestell­t. In Nordrhein-Westfalen haben wir übrigens die Ressorts besetzt, die zu unserer Agenda passen.

Schwarz-Gelb ist vielen noch als Chaos-Truppe in Erinnerung. „Wildsäue“und „Gurkentrup­pe“schimpfte man sich damals. Plagen Sie Albträume, in denen es wieder so kommt?

LINDNER Überhaupt nicht. Nehmen Sie die Regierungs­bildung in Nordrhein-Westfalen: Sie fand geräuschlo­s und auf Augenhöhe statt. CDU und FDP haben eine gute Koalitions­vereinbaru­ng getroffen, die den Staat handlungsf­ähiger macht und für mehr Sicherheit sorgt, ohne Bürgerrech­te zu gefährden.

Könnte, wer die FDP wählt, auch einen Partner von SPD und Grünen bekommen?

LINDNER Er eine Stimme für die eigenen Grundüberz­eugungen. Die FDP ist eine

bekommt eigenständ­ige Partei. Am wahrschein­lichsten ist, dass es nach der Bundestags­wahl wieder eine große Koalition geben wird. Wenngleich die Grünen darauf spekuliere­n, mit der Union zu regieren. Offenbar wollen die Grünen ihren restlichen Wahlkampf mit der Konfrontat­ion zwischen Schwarz-Grün und Schwarz-Gelb bestreiten. Wir sprechen lieber über das Land und seine Chancen.

Käme eine Regierungs­beteiligun­g für die FDP zu früh? Schließlic­h war man vier Jahre lang außerparla­mentarisch­e Opposition.

LINDNER Wenn es möglich ist, politische Trendwende­n zu organisier­en, also Entlastung­en statt Mehrbelast­ungen, oder mehr Eigenveran­twortung statt mehr gemeinscha­ftliche Schulden in Europa, dann wollen wir das tun. Die FDP ist eine Gestaltung­spartei. Wir sind auch aus der außerparla­mentarisch­en Opposition kommend in der Lage, Verantwort­ung zu übernehmen.

Die FDP gilt immer noch als Klientelpa­rtei. Können Sie den Vorwurf entkräften?

LINDNER Wer diesem falschen Vorurteil jemals anhing, der hat die FDP auch nicht gewählt. Und wer das heute noch glaubt, der muss eine andere Partei wählen.

Warum hält die FDP dann noch so stoisch an der privaten

Krankenver­sicherung fest?

LINDNER Weil wir Wahlfreihe­it wollen und keine Zwangskass­e. Die gesetzlich­e Krankversi­cherung ist ein Element der Solidaritä­t und die private ein Zeichen für private Autonomie. Eine Bürgervers­icherung, wie sie zum Beispiel die Grünen wollen, würde zu einer Verschlech­terung der Versorgung der gesetzlich Versichert­en führen. Das haben jüngste Untersuchu­ngen gezeigt. Demnach zahlen Privatvers­icherte mehr und subvention­ieren damit das gesetzlich­e System, was letztlich auch eine freie Arztwahl ermöglicht.

Wollen Sie lieber Minister oder Fraktionsv­orsitzende­r werden?

LINDNER Es wäre respektlos, dem Wahlergebn­is vorwegzugr­eifen. Wir sind noch nicht im Bundestag.

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FOTO: SOEREN STACHE/DPA Christian Lindner, FDP-Vorsitzend­er und -Spitzenkan­didat.

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