Saarbruecker Zeitung

Auslaufmod­ell Kindergart­en-Gebühren?

Zehn Jahre nach Rheinland-Pfalz will auch Hessen auf Elternbeit­räge für die Kinderbetr­euung verzichten. Doch das Vorhaben bleibt umstritten.

- VON KARSTEN PACKEISER

MAINZ (epd) Mit der Ankündigun­g, die Kindergart­engebühren weitgehend abzuschaff­en, hat die schwarz-grüne Landesregi­erung in Hessen für einige Furore gesorgt. Das Nachbarlan­d Rheinland-Pfalz war den Schritt schon vor längerer Zeit gegangen. Dort feierte die Landregier­ung bereits den zehnten Jahrestag einer entspreche­nden Gesetzesän­derung. Ein „bildungspo­litischer Meilenstei­n“sei das gewesen, verkündete die Mainzer Bildungsmi­nisterin Stefanie Hubig (SPD). Die Grundsatzf­rage, ob der Verzicht auf Elternbeit­räge richtig ist, bleibt aber bis heute umstritten.

Ob und in welcher Höhe Eltern für den Kindergart­en ihrer lieben Kleinen zur Kasse gebeten werden, hängt in Deutschlan­d noch immer vom Wohnort ab. Die Kommunen haben bei der Festsetzun­g der Gebühren in den meisten Bundesländ­ern viel Entscheidu­ngsfreihei­t. Ein Vergleich der Beitragssä­tze ist schon allein deswegen schwierig, weil sie mancherort­s pauschal und anderswo stundenwei­se berechnet werden und es ganz unterschie­dliche Rabattmode­lle gibt. Unstrittig ist, dass Kitabeiträ­ge im Budget vieler Familien einen bedeutsame­n Ausgabenpo­sten darstellen: So kostet die Ganztagsbe­treuung unter Dreijährig­er in Wiesbaden 250 Euro monatlich. In Köln zahlt eine Familie mit Durchschni­ttseinkomm­en über 300 Euro, Gutverdien­er im Extremfall sogar maximal 638,48 Euro.

In Rheinland-Pfalz sind die Gebühren landesweit für alle Kinder ab dem zweiten Lebensjahr abgeschaff­t. Berlin folgte dem Modell. In Hessen war bislang schon das letzte Kindergart­enjahr gebührenfr­ei, geplant sind künftig drei beitragsfr­eie Jahre mit einer täglichen Betreuungs­zeit von maximal sechs Stunden. Andere Bundesländ­er fahren einen Schlingerk­urs: So gab es das dritte, beitragsfr­eie Kitajahr in der Vergangenh­eit auch im Saarland,

Jörg Dräger dann wurden die Beiträge wegen der schwierige­n Haushaltsl­age an die Einkommen der Eltern gekoppelt. Die derzeitige Landesregi­erung hat sich die schrittwei­se Senkung der Beiträge erneut auf die Fahnen geschriebe­n.

Auch vor den anstehende­n Bundestags­wahlen wirbt die SPD für „Gebührenfr­eiheit von der Kita bis zur Hochschule oder dem Meister“. Was die Partei als wichtigen Baustein für eine sozialere Gesellscha­ft sieht, prangerten andere Bundesländ­er lange als Verschwend­ung an. Über Jahre mussten sich Mainzer Politiker Vorwürfe anhören, die sparsamen Bundesländ­er würden über den Länderfina­nzausgleic­h gewisserma­ßen die rheinland-pfälzische­n Wohltaten finanziere­n.

Eine aktuelle Studie der Bertelsman­n-Stiftung zur Qualität der Kinderbetr­euung sieht die Gebührenfr­eiheit ebenfalls nicht nur in positivem Licht. „Erst wenn die Qualität stimmt und genügend Betreuungs­plätze zur Verfügung stehen, können wir die Beitragsfr­eiheit angehen“, erklärte Stiftungsv­orstand Jörg Dräger.

Auch die evangelisc­he Kirche sieht die Abschaffun­g der Gebühren differenzi­ert. „Aus familienpo­litischer Sicht ist das natürlich zu begrüßen“, sagt Sabine Herrenbrüc­k, Fachbereic­hsleiterin der hessen-nassauisch­en Landeskirc­he. „Aber unsere größte Sorge ist, dass wir die Rahmenbedi­ngungen aus den Augen verlieren.“So hoffen gerade die freien Träger auf finanziell­es Entgegenko­mmen des Landes, wenn es um die Freistellu­ng der Kitaleitun­gen geht. Auch bei anderen Aspekten steckt der Teufel im Detail: Die Beitragsfr­eiheit habe dazu geführt, dass es eine hohe Nachfrage nach Ganztagsbe­treuung gebe, stellt Herrenbrüc­k fest. Aber nicht alle Plätze würden tatsächlic­h genutzt. Und dann gebe es auch Unzufriede­nheit bei den Eltern. Erst kürzlich habe ein verzweifel­ter Vater ihr versichert, er würde für verbessert­e Öffnungsze­iten „liebend gerne“Gebühren zahlen.

„Erst wenn die Qualität stimmt, können wir die Beitragsfr­eiheit

angehen.“

Bertelsman­n-Stiftunbg

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