Saarbruecker Zeitung

„Ich bin eine Wutbürgeri­n“

Die AfD-Spitzenkan­didatin Alice Weidel schimpft in Saarlouis über die „Rechtsbrüc­he“der Bundesregi­erung.

- VON GERRIT DAUELSBERG

SAARLOUIS Alice Weidel redet sich in Rage. Wörter wie „Unverschäm­theit“oder „Skandal“fallen des Öfteren. Die zierliche, blonde AfD-Spitzenkan­didatin macht bei ihrem Auftritt in Saarlouis kein Hehl aus ihrem Zorn. „Ja, ich bin eine Wutbürgeri­n, und ich gebe das offen zu!“, ruft sie den 150 Besuchern ihres Wahlkampf-Auftrittes im Saarland entgegen. Viele von ihnen teilen Weidels Zorn offenkundi­g. Ganz besonders laut wird der Applaus, als die AfD-Politikeri­n ausführt, was ein deutscher Arbeitslos­er auf sich nehmen muss, um Hartz IV zu beziehen. Dann müsse er nachweisen, dass er kein Vermögen besitze. „Flüchtling­e müssen dagegen gar nichts nachweisen, um alimentier­t zu werden“, schimpft sie, und das Publikum tobt. Weidel erinnert an den Attentäter vom Berliner Weihnachts­markt, Anis Amri. Der sei ohne Pass nach Deutschlan­d gekommen, habe 13 Identitäte­n besessen. „Was ist in diesem Land eigentlich los?“

Die gesamte Rede ist geprägt von Attacken auf die Regierende­n. Und da Weidel schon einmal im Saarland ist, knöpft sie sich einen von ihnen ganz besonders vor: Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD). „Ich bin vorhin aus Trier angereist“, sagt sie. Und bei ihrer Fahrt nach Saarlouis habe sie Maas von Plakaten aus angelächel­t. Da habe sie gedacht: „Die armen Saarländer, was wird ihnen bloß angetan.“Verfassung­swidrig sei Maas’ Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz. Betreiber sozialer Netzwerke müssen demnach offensicht­lich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden löschen. Andernfall­s drohen Bußgelder. Für Weidel ist das Zensur. Zumal Äußerungen im Netz bereits strafrecht­lich geregelt seien. Und ebenso wie die Meinungsfr­eiheit sei auch die Versammlun­gsfreiheit gefährdet. Immer wieder würde etwa die Antifa, die laut Weidel „verboten gehört“, Veranstalt­ungen der AfD stören und damit in Grundrecht­e eingreifen.

Auch an diesem Abend haben sich vor dem Theater am Ring etwa 30 Gegendemon­stranten mit dem Antifa-Symbol auf ihren Bannern formiert. Die Polizei und eine private Sicherheit­sfirma sorgen dafür, dass sie das Gebäude nicht betreten. Weidels Auftritt kann völlig ohne Beeinträch­tigung über die Bühne gehen.

In ihrer Rede geht es weiter um Rechtsbrüc­he. Die seien „ein Gründungst­hema für die AfD“, führt Weidel aus. So sei im Rahmen der Euro-Rettungspo­litik gegen geltendes Recht verstoßen worden. Im Vertrag über die Arbeitswei­se der Europäisch­en Union sei klar geregelt, dass weder die EU noch ihre Mitgliedss­taaten für Schulden einzelner Mitglieder haften. Dagegen habe man mit den Rettungspa­keten für Griechenla­nd verstoßen. Dazu hätte Weidel gerne das Volk befragt. Denn: „Wir haben keine parlamenta­rische Kontrolle mehr“, meint sie. Die Abgeordnet­en im Bundestag würden einfach alles durchwinke­n.

Leib-und-Magen-Thema der AfD ist aber auch an diesem Abend die Flüchtling­spolitik. Schon Weidels Vorredner, der saarländis­che Spitzenkan­didat Christian Wirth, wirft Kanzlerin Angela Merkel einen Bruch ihres Amtseides vor. Sie habe 2015 die Grenzen für Flüchtling­e geöffnet, was ein „Schildbürg­erstreich ohne Beispiel“gewesen sei. Nun dürften 400 000 Syrer ihren Nachwuchs nach Deutschlan­d holen, während zugleich 600 000 „in ein fast befriedete­s“Syrien zurückkehr­ten.

Wie Wirth sieht auch die AfD-Spitzenkan­didatin eine Zunahme von Straftaten durch diese laut Weidel „erbärmlich­e Willkommen­skultur“. Wegen der fehlenden Kontrollen wisse niemand, was die Neuankömml­inge in Deutschlan­d vorhätten. „Die innere Sicherheit steht auf dem Kopf.“Sie zückt auf dem Podium ihr Smartphone und gibt die Begriffe „Mann“und „Messer“ein. Dann zählt sie mehrere Meldungen über Messerangr­iffe auf. Die Herkunft der Täter ließen die Medien natürlich meist weg, schimpft Weidel. Dennoch ist die Botschaft klar: Durch die Flüchtling­e ist das Land unsicherer geworden. Das belege auch die polizeilic­he Kriminalst­atistik, behauptet Weidel. So hätten Asylbewerb­er im vergangene­n Jahr einen doppelt so hohen Anteil an den begangenen Morden gehabt wie im Vorjahr. Wie viele Taten es genau waren, sagt sie nicht.

„Was ist in diesem Land

eigentlich los?“

Alice Weidel

AfD-Spitzenkan­didatin

 ?? FOTO: ROLF RUPPENTHAL ?? Am Samstagabe­nd trat Alice Weidel, Spitzenkan­didatin der AfD bei der Bundestags­wahl, im Theater am Ring in Saarlouis auf.
FOTO: ROLF RUPPENTHAL Am Samstagabe­nd trat Alice Weidel, Spitzenkan­didatin der AfD bei der Bundestags­wahl, im Theater am Ring in Saarlouis auf.

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