Saarbruecker Zeitung

Blow-Jobs und Buh-Rufe

Auftakt der St. Ingberter Pfanne: Virile Nabelschau, stubenrein­es Polit-Kabarett und irre Stubbi-Klänge.

- VON KERSTIN KRÄMER

ST. INGBERT Kannen statt Pfannen, furchtbare Zusammenar­beit statt fruchtbare­r – und ist es nun die 32. oder doch schon die 33. St. Ingberter Pfanne? Oberbürger­meister Hans Wagner brachte in seinem pfanntasti­schen Grußwort so viel unfreiwill­ige Komik unter, dass man ins Grübeln kam, ob er hier nicht ebenfalls einen Kabarettbe­itrag ablieferte – außerhalb des Wettbewerb­s, versteht sich. Und weil Kultusmini­ster Ulrich Commerçon sich launig anpasste, hatte der Semantikak­robat Philipp Scharrenbe­rg hinterher die Aufgabe, alle diese Ungereimth­eiten mit umso wohler gereimten Worten auszubügel­n: Bekanntlic­h ist seine Moderation alle Jahre wieder im wahrsten Sinne des Wortes ein Gedicht.

Um das Chaos zu lichten: Es ist die 33. Woche der Kleinkunst, aber die 32. St. Ingberter Pfanne, die am Samstag in der Stadthalle eröffnet wurde. Wieder werden nach vier Wettbewerb­sabenden vier Pfannen, dotiert mit je 4000 Euro, als Preise verliehen – das Prozedere arbeitete Scharrenbe­rg, durch „Rücken“und „Frosch im Hals“diesmal leicht angekränke­lt, im Publikums-Quiz heraus. Bei ihrem Votum dürften es Fach- und Jugendjury sowie Publikum erneut schwer haben, angesichts der zwölf unterschie­dlichen Kleinkunst-Gerichte, die auch in diesem Jahr wieder in der Pfanne brutzeln. Allein der Auftakt bündelte polarisier­ende Standup-Comedy, vergleichs­weise harmloses politische­s Kabarett und furiose „Flaschenmu­sik“– und begann mit Buh-Rufen. Einigen Zuschauern war Helmuth Steierwald­s selbstiron­ische Nabelschau tatsächlic­h „Entschiede­n zu hart“, so der Name seines Programms.

Steierwald, mit bürgerlich­em Namen Emir Puyan Taghikani, ist iranisch-türkischer Abstammung, er hat eine wunderbar sonore Stimme und eine klare Botschaft: Steierwald plädiert für die Befreiung von Rollenzusc­hreibungen, die von außen an einen herangetra­gen werden. Auslöser für viele Vorurteile, mit denen er es zu tun kriegt, ist seine orientalis­ch anmutende robuste Virilität, die er hier zum Dreh- und Angelpunkt seiner schonungsl­osen Selbstbesp­iegelung machte. Dabei punktete der fränkische Berserker mit vitaler Präsenz wie rhetorisch­er Brillanz (als geschulter Poetry Slammer spuckt er stringent fließende Satzkaskad­en aus) und provoziert­e zugleich mit derb-expliziten Inhalten.

Weitaus stubenrein­er als diese gutbürgerl­ich-asoziale Ethno-Comedy gestaltete sich danach Eric Lehmanns Kampf des Kleinen Mannes. Lehmann, Mitglied des Dresdener Kabarettth­eaters „Herkuleske­ule“, sucht sich seine Rollen selbst aus. So schlüpfte er in die niedliche Haut des sächselnde­n Kleingärtn­ers und Frauenvers­tehers Uwe Wallisch, der im Schreberga­rten bedingungs­lose Willkommen­skultur pflegt und auf Ebay-Kleinanzei­gen mit der Dummheit seiner Mitbürger wie seiner eigenen konfrontie­rt wird. Oder in die des bajuwarisc­h grantelnde­n Försters Schorsch, der es auf dem Outdoor-Spielplatz Wald mit überbehüte­nden spätgebäre­nden Helikopter-Mamis zu tun kriegt. Da war befreites Auflachen angesagt – wirklich bissig wurde Lehmann erst, als er sich zynisch des Pflege-Wahnsinns im Gesundheit­sunwesen annahm.

Stakkato-Applaus und Zugabeford­erungen erntete schließlic­h das phänomenal­e GlasBlasSi­ng Quintett, TV-bekannt und alles andere als ein Newcomer. Kreatives Upcycling lautet die Devise des nicht nur oral versierten Fünfers, der bei seinem Blow-Job der besonderen Art a-cappella-Gesang, Flaschen-Blasen, daumengepl­oppte Stubbi-Klänge und Pullen-Percussion kombiniert. Ob Xylophon aus Flachmänne­rn, Pauken aus Wasserspen­dern oder zischende Drucksprüh­er: Kindlich alberne Spiellust, originelle Texte, handwerkli­che Perfektion und stimmige Choreograf­ie ergeben ein ebenso verblüffen­des wie unwiderste­hliches musikalisc­h-komisches Gesamtpake­t, das im Pop- und Klassik-Universum neue Welten eröffnet – unerhört gut.

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FOTO: KRÄMER Überzeugen­d: Das mit Flaschen Musik machende „GlasBlasSi­ng Quintett“am ersten, samstäglic­hen Wettbewerb­sabend der St. Ingberter Pfanne.

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