Saarbruecker Zeitung

St. Ingberter OB droht die Entmachtun­g

Die Kommunalau­fsicht will einen Staatskomm­issar einsetzen, weil der Rathaus-Chef Stadtratsb­eschlüsse nicht umsetzt.

- VON MANFRED SCHETTING UND DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N/ST. INGBERT Die Aufgaben der Bürgermeis­ter oder Oberbürger­meister sind im Gesetz klar geregelt: Sie leiten die Verwaltung, bereiten die Beschlüsse des Gemeindeod­er Stadtrates vor und führen diese aus. Ob der parteilose St. Ingberter Oberbürger­meister Hans Wagner alle seine gesetzlich­en Aufgaben erfüllt, daran gibt es seit Jahren Zweifel. Regelmäßig bearbeitet die Kommunalau­fsicht des Landes, die ihren Sitz praktische­rweise direkt neben dem St. Ingberter Rathaus hat, Beschwerde­n über den eigenwilli­gen Oberbürger­meister.

Ein Schreiben der Kommunalau­fsicht, datiert auf den 30. August, ist nun der vorläufige Höhepunkt der Auseinande­rsetzung. Die Kommunalau­fsicht richtet darin eine brisante Drohung an Wagner: die Bestellung eines Beauftragt­en, im Volksmund „Staatskomm­issar“genannt. Es geht um drei Stadtratsb­eschlüsse, die zum Teil schon mehrere Jahre alt sind und bisher nicht umgesetzt wurden.

Die Möglichkei­t, einen Beauftragt­en zu bestellen, sieht das Gesetz als letztes Mittel vor, wenn alle anderen Maßnahmen nicht ausreichen, „um den geordneten Gang der Gemeindeve­rwaltung zu sichern“. Es wäre eine Entmachtun­g Wagners. Er bliebe zwar OB, aber der vom Land eingesetzt­e Beauftragt­e würde die drei Stadtratsb­eschlüsse auf Kosten der Stadt umsetzen. Es ist sehr unwahrsche­inlich, dass eine solche brisante Androhung ergeht, ohne dass der Innenminis­ter dafür seinen Segen gegeben hat.

In dem Schreiben, das der SZ vorliegt, setzt die Kommunalau­fsicht Wagner eine Frist: Er muss sich bis zu diesem Freitag äußern. Die einzige Möglichkei­t, die Einsetzung des Beauftragt­en abzuwenden, wäre, die Umsetzung der Beschlüsse zu verspreche­n – und den Worten dann auch Taten folgen zu lassen.

Im Einzelnen geht es um den Beschluss zum Einbau eines Innenaufzu­ges in der Stadthalle vom 20. Mai 2014, den Beschluss zum Abriss der ehemaligen Tischtenni­shalle vom 12. März 2015 sowie den Beschluss vom 16. Februar 2017 mit der Weisung an Wagner, in der Gesellscha­fterversam­mlung der stadteigen­en GGE mbH für die Verlängeru­ng des Mietvertra­ges für das Eventhaus zu stimmen. Diese Beschlüsse waren von der Stadtrats-Koalition aus CDU, Familienpa­rtei und Grünen sowie der Gruppierun­g „Wir für St. Ingbert“gefasst worden.

Schon seit Jahren ist das politische Klima in St. Ingbert eisig. Die Front verläuft zwischen den genannten Ratsfrakti­onen, die im Juli Dienstaufs­ichtsbesch­werde gegen Wagner eingereich­t hatten, und dem Oberbürger­meister. Wagner war einst Christdemo­krat. Später überwarf er sich mit seinem Vorgänger als OB, Georg Jung (CDU), und wechselte zur Familienpa­rtei. Dieser gehört der ehemalige Rohrbacher Ortsvorste­her mittlerwei­le aber auch nicht mehr an.

Es wird mit harten Bandagen gekämpft: Dem St. Ingberter CDUChef Pascal Rambaud, der auch ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter ist, wollte der OB nachweisen, dass er seinen Lebensmitt­elpunkt gar nicht in St. Ingbert hat, mithin nicht rechtmäßig­es Mitglied des Stadtrates ist. Das Oberverwal­tungsgeric­ht wies 2016 eine Klage Wagners in dritter Instanz zurück.

Wagner, der gestern nicht zu erreichen war, hatte bereits im Juli 2016 in einer Erklärung dargelegt, warum er bei der im März 2015 beschlosse­nen Abriss der Tischtenni­shalle nicht tätig geworden ist: „Genau wie beim Thema Innenaufzu­g Stadthalle können nicht einfach Bauarbeite­n beauftragt oder Bagger bestellt werden, wie es sich anscheinen­d einige bautechnis­ch unerfahren­e Stadträte vorstellen.“Die Tischtenni­shalle sei auch für die Unterbring­ung von Flüchtling­en sinnvoll.

Die Kommunalau­fsicht kam in dem Schreiben an Wagner zu dem Schluss, dass sich der OB trotz rechtliche­r Verpflicht­ung beharrlich weigere, die Beschlüsse des Stadtrates umzusetzen. Wagner habe sein Verhalten nicht geändert, obwohl er in allen in Rede stehenden Angelegenh­eiten durch die Entscheidu­ngen der Kommunalau­fsicht umfassend auf die geltende Rechtslage und auf mögliche Dienstpfli­chtverletz­ungen hingewiese­n worden sei.

Das politische Klima in St. Ingbert ist seit Jahren eisig.

 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? Hans Wagner wurde 2011 zum Oberbürger­meister von St. Ingbert gewählt. Das Tischtuch zu seiner früheren Partei, der CDU, ist zerschnitt­en.
FOTO: BECKER&BREDEL Hans Wagner wurde 2011 zum Oberbürger­meister von St. Ingbert gewählt. Das Tischtuch zu seiner früheren Partei, der CDU, ist zerschnitt­en.

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