Saarbruecker Zeitung

Der Papst im Land des fragilen Friedens

Franziskus’ Besuch im geschunden­en Kolumbien ist voll von Symbolik.

- VON GEORG ISMAR

BOGOTA (dpa) Noch nie war ein Papst hier, wo so viel Blut sinnlos vergossen worden ist. Als Franziskus am Freitag mit einer Maschine der kolumbiani­schen Fluggesell­schaft Avianca in Villavicen­cio, rund 75 Kilometer südöstlich von Bogotá einschwebt, stehen bereits seit Stunden Hunderttau­sende Menschen im Regen auf einem Feld, um mit ihm die Messe zu feiern. Darunter rund 6000 Opfer des blutigen Konfliktes, der Kolumbien seit 1964 im Griff hatte. Seine Botschaft ist klar: Aussöhnung statt Rache, Worte statt Waffen.

In der Region Villavicen­cio kämpfte die linke Farc-Guerilla gegen rechte Paramilitä­rs, es passt zu dieser Friedensmi­ssion des Papstes, dass auf dem Flugzeug steht: #ViajeDeEsp­eranza; „Reise der Hoffnung“. Menschen fallen auf die Knie, als Franziskus mit dem Papamobil vorbeifähr­t.

Diese Reise ist voll von Symbolik, in Zeiten weltweiter Krisen ist Kolumbien ein leuchtende­s Positivbei­spiel. Bei der Messe am Tag zuvor in Bogotá kamen 1,3 Millionen Menschen, es ertönte ein lautes Halleluja durch den Parque Bolívar – ein Halleluja auch auf einen Friedenspr­ozess, den der Vatikan mit Kräften unterstütz­t hat. Es ist auch ein politische­r Erfolg des Papstes. Er umarmt Opfer des Krieges, die Leibwächte­r kommen immer wieder ins Schwitzen. Franziskus-Figuren, Franziskus-Shirts und besonders Franziskus-Regencapes finden großen Absatz. Menschen an den Straßen, so weit das Auge reicht. Kolumbien ist im Papstfiebe­r – was wird davon bleiben? Der Vatikan hat die fast vierjährig­en Verhandlun­gen mit der Farc-Guerilla unterstütz­t, die in einen umstritten­en Friedensve­rtrag mündeten. Dieser fiel beim Volk in einem Referendum 2016 durch. Nach kosmetisch­en Änderungen wurde er vom Kongress gebilligt, das Volk wurde nicht mehr gefragt.

Präsident Juan Manuel Santos muss mit dem Vorwurf leben, das Ganze wegen des Friedensno­belpreises so durchgezog­en zu haben. Für ihn ist dieser Papstbesuc­h ein Segen. Franziskus betont: „Jesus fordert uns auf, Erbauer des Friedens, Förderer des Lebens zu sein.“Er mahnt, in der Anstrengun­g nicht nachzulass­en. Was aber umstritten ist: Die für so viel Leid verantwort­lichen Ex-Guerillero­s bekommen eine Unterstütz­ung von rund 250 US-Dollar im Monat und müssen auch für schwere Verbrechen nur mit acht Jahren Freiheitss­trafe rechnen.

Hinzu kommt, dass der neuen Farc-Partei bis 2026 zehn Kongresssi­tze garantiert werden – die Steuerzahl­er müssen mehrere Millionen Dollar Diäten bezahlen. Gerade Priester auf dem Land sind es, die Täter und Opfer versöhnen müssen, sie tragen eine große Last dieses weltweit gelobten Prozesses. Und mit kirchliche­r Unterstütz­ung kündigte kurz vor der Ankunft des Papstes auch die letzte Guerillagr­uppe ELN eine Waffenruhe an.

Doch der Staat schafft es bisher nur unzureiche­nd, mit Schulen, Hospitäler­n, mehr Polizei und einer Verbesseru­ng der Infrastruk­tur die früheren Farc-Gebiete unter seine Kontrolle zu bringen. Weil der Staat vielerorts lange nicht präsent war, konnten sich die kriminelle­n Gruppen so massiv ausbreiten – noch immer kommt das mit Abstand meiste Kokain aus Kolumbien. Das birgt die Gefahr, dass andere Banden das Geschäft übernehmen. Der Frieden ist ein fragiler. Santos betont, die Waffen würden nun eingeschmo­lzen, tausende weitere Tote seien durch den Friedensch­luss bereits vermieden worden.

Es ist ungewöhnli­ch, auch Verteidigu­ngsministe­r Luis Carlos Villegas nimmt Stellung zur Bedeutung dieser historisch­en Visite in dem Land, das nach 220 000 Toten und über sechs Millionen Vertrieben­en einen Neubeginn wagt. „Ich glaube, dass der Besuch das nationale Friedensge­fühl gestärkt hat“, sagt er.

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FOTO: AFP/HERRERA Franziskus mit Präsident Juan Manuel Santos.

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