Zwei Wochen vor der Wahl ist Merkel die Spinne im Netz
Das TV-Duell hat nichts verändert – und deshalb die Frage, wer Kanzler wird, entschieden. Martin Schulz hätte am letzten Sonntag haushoch gewinnen müssen, um noch etwas zu bewegen. Hat er aber nicht. Es ist bewundernswert, wie er trotzdem kämpft. Nicht nur für sich, auch für seine Partei, die SPD. Wenn die so schlecht abschneiden sollte, wie die letzten Umfragen verheißen, stünde sie schon am 24. September, 18.01 Uhr, mitten in der Zerreißprobe. Dann käme alles auf den Prüfstand. Das Personal und das Programm. Was schade wäre, denn eigentlich ist die SPD so geschlossen wie lange nicht. Eine Neuauflage der großen Koalition würden die Mitglieder verweigern. Mobilisierung ist jetzt alles bei den Sozialdemokraten. Aber wofür? Für die Opposition? Für nochmal Groko?
Die Grünen sind in der gleichen Bredouille. Vier Parteien kämpfen um Platz drei, und sie sind die schwächste. Umwelt ist gerade nicht Mode, trotz der Diesel-Skandale und der Hurrikane. Auch bei den Grünen werden, wenn es so kommt, wie die Umfragen es voraussagen, am 24. September die Fetzen fliegen. Und auch sie würden ausgerechnet in dieser Phase großer Schwäche vor der Frage stehen, ob sie zusammen mit der verhassten FDP und der Union in einer „Jamaika“-Koalition regieren wollen. Auch bei den Grünen würde sich Basis querstellen.
Große Koalition oder Jamaika sind aber die beiden einzigen Möglichkeiten, die es überhaupt rechnerisch und politisch beim derzeitigen Stand noch gibt. Einer muss springen. Oder gelingt den Wahlkämpfern beider Parteien in den verbleibenden zwei Wochen doch noch ein Swing? Während viele Tausende ihre Stimme per Briefwahl schon abgegeben haben, sind gleichzeitig noch rund 40 Prozent der Wähler unentschieden. Das ist einerseits ein Hoffnungsschimmer für Schulz. Es gibt andererseits aber keinen Grund, warum diese 40 Prozent sich anders verteilen sollten, als die Bürger mit großer Konstanz seit Wochen in den Meinungsbefragungen angeben: Etwa 37 Prozent für die Union, etwa 22 Prozent für die SPD, etwa acht Prozent für Grüne, jeweils etwa neun für FDP und Linke, etwa zehn Prozent für die AfD. Die verändert sich als einzige – nach oben. Die AfD spielt mit Provokationen und spricht immer offener die ganz Rechten im Land an. Die Scham ist weg.
Angela Merkel ist die Spinne im Netz. Sie wartet und rührt sich nicht. Was könnte ihr in den letzten 14 Tagen noch passieren? Eine große internationale Krise allenfalls, vielleicht Nordkorea. Aber dann ist sie mit ihrem Kanzlerbonus erst recht gefragt. Innenpolitisch läuft es ruhig. Die Wirtschaftsdaten sind anhaltend gut. Und störende Affären gibt es nicht, nur eine kleine bei der SPD um die Schulwahl für den Sohn von Manuela Schwesig. Aber auch eine Spinne kann verhungern, wenn sie keine Opfer mehr findet. Wo will sie eigentlich ihre Mehrheit herholen? Mit welcher Partei, mit welchem Programm will sie regieren? Und wie lange will sie im Amt bleiben? Was bekommt, wer Merkel wählt? Vielleicht wird sie das in den verbleibenden Tagen ja nun öfter und härter gefragt werden. Höchste Zeit dafür wäre es.