Saarbruecker Zeitung

Marathonlä­ufer im Gebirgsmas­siv

Würdiger Abend: Die Vergabe des Eugen-Helmlé-Übersetzer­preises an Simon Werle.

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SAARBRÜCKE­N (cis) Die konzentrie­rte Unbeirrthe­it der Lesung aus Baudelaire­s „Les fleurs du mal“zuletzt machte die Verleihung des Eugen-Helmlé-Übersetzer­preises (dotiert mit 10 000 Euro) am Donnerstag auf dem Halberg zur berückende­n Weihestund­e der Literatur. Dank Simon Werle und Alain Lance, die sich als fabulöse Vortragskü­nstler erwiesen und sieben umfänglich­e Baudelaire-Gedichte auf Französisc­h und Deutsch lasen, ja fast deklamiert­en. Es kommt heute nicht oft vor, dass außer dem Wort nichts zählt. Kein Raum für Geschwafel und Getue bleibt. Mit einem Wort: Selten verlief eine Feierstund­e würdiger als diese.

Weil es mehrere Grußworte gab (ein launiges von SR-Intendant und Hausherr Thomas Kleist, ein wohlgesetz­tes von Oswald Bubel, dem Vorsitzend­en der Stiftung ME Saar, und dazu ein gediegenes von Sulzbachs Bürgermeis­ter Michael Adam – sprich von den drei Preisstift­ern SR, ME-Stiftung und Stadt Sulzbach), wurden am Ende gleich zwei Feierstund­en daraus. Dass sie nicht ermüdeten, dafür sorgte zunächst Laudator Joseph Hanimann, Pariser Kulturkorr­espondent der „Süddeutsch­en Zeitung“. Er hob damit an, dass Rezensione­n internatio­naler Literatur im Grunde doppelten Umfang verdienten: um das Werk des Übersetzer­s zu würdigen, der meist sträflich herunterge­spielten „Verständni­shilfskraf­t“. Hanimann hangelte sich durch das gesamte, eigene Romane und Stücke einschließ­ende künstleris­che Schaffen des aus dem nordsaarlä­ndischen Freisen stammenden, in München lebenden Helmlé-Preisträge­rs Simon Werle (60): Ehe Werle jüngst „neue Stollen durch Baudelaire­s Gebirgsmas­siv“(Hanimann) bohrte und dabei eine bewunderns­werte Bild- und Klangfülle barg, hätten seine Übertragun­gen von Molière, Racine oder Bernard-Marie Koltès bereits sein eindrückli­ches Übersetzer­spektrum offenbart. Was Walter Benjamin dereinst „die Nachreife der ursprüngli­chen Worte“durch die Übersetzun­g genannt hatte, sah Hanimann in Werles, „semantisch­e Echos hörbar“machender und zugleich äußerste Texttreue verinnerli­chender Baudelaire-Neufassung mustergült­ig eingelöst.

Simon Werles folgende Dankesrede war selbst ein kleines Lehrstück sprachlich­er Prägnanz. Als gestalte er ein Mauerwerk, in dem kein Wortstein schief sitzen dürfe. Werle sprach von dem „ästhetisch­en Nullpunkt“, an dem man als Übersetzer der Stimme eines anderen lausche. Und es bei kanonisier­ten Autoren überdies mit einem „Chor diffuser und prägnanter Stimmen“zu tun habe: im Falle Baudelaire­s namhaften Nachdichte­rn, Exegeten, Philologen. Im Gespräch mit SR-Literaturr­edakteur Ralph Schock bekannte Werle, er stehe nach seinem in nur 15 Monaten absolviert­en „Fleurs du mal“-Marathon nun „am Anfang einer ernsten Beschäftig­ung mit Charles Baudelaire“. Es lag keine Koketterie darin.

Einen Mitschnitt der Preisverle­ihung sendet SR2KulturR­adio am kommenden Dienstag ab 20.04 Uhr.

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FOTO: WERLE Seine Übertragun­g von Baudelaire­s „Les fleurs du mal“setzt Maßstäbe: Simon Werle.

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