„Man kann sich nur in Sicherheit bringen“
Ein Wetterexperte erklärt, warum extreme Hurrikans wie der Atlantik-Sturm „Irma“in Europa undenkbar sind.
BERLIN Wetterextreme vom Ausmaß des Hurrikans „Irma“sind in Europa nicht zu erwarten, sagt der Tornadobeauftragte des Deutschen Wetterdienstes, Andreas Friedrich. Eine Zunahme von Hitze und Starkregen allerdings schon.
Herr Friedrich, gefühlt haben die Wetterkapriolen auf der Welt stark zugenommen. Ist der verheerende Hurrikan „Irma“in der Karibik Schicksal, oder auch menschengemacht?
FRIEDRICH Bislang ist nicht nachweisbar, dass solche Hurrikans ein Ergebnis des Klimawandels sind und damit auch in der Mitverantwortung des Menschen liegen. In den vergangenen 30 Jahren gab es immer wieder Perioden mit weniger Hurrikans und Perioden, in denen es deutlich heftiger zuging. Solche dramatischen Erscheinungen waren auch schon Ende des vergangenen Jahrtausends zu beobachten.
„Irma“hat immerhin die Größe Frankreichs…
FRIEDRICH Ja, das ist sicher ein ungewöhnlich starker Hurrikan. Dementsprechend ist das betroffene Gebiet auch größer. Selbst in 300 Kilometer Entfernung vom Zentrum herrschen noch tropische Sturmbedingungen. Aber wie gesagt, Hurrikans der Stufe 5 hatten wir früher auch schon. Denken Sie nur an „Katrina“, der im Jahr 2005 schwere Verwüstungen in New Orleans anrichtete.
Ist es Zufall, dass zeitgleich zu „Irma“auch ein starkes Seebeben vor der pazifischen Küste Mexikos registriert wurde?
FRIEDRICH Ja. Dieses Beben hat sich 30 bis 60 Kilometer tief in der Erdkruste ereignet. Mit dem Hurrikan „Irma“hat das nichts zu tun.
Sind Wetterextreme vom Ausmaß „Irmas“auch in Europa denkbar?
FRIEDRICH Nein. Davor sind wir aufgrund der unterschiedlichen Verteilung von Land- und Meermassen gefeit. Um so einen Hurrikan zu bilden und am Leben zu erhalten, braucht es bestimmte atmosphärische Bedingungen und vor allem Meeresoberflächen mit Wassertemperaturen von mindestens 26 Grad über ein großes Areal hinweg. Und das ist weder an Nord- und Ostsee noch in den Meeresgebieten vor Frankreich der Fall. Auch die Klimasimulationen für die nächsten Jahrzehnte lassen nicht erwarten, dass wir in Europa solche Meerestemperaturen über weite Flächen bekommen werden.
Das Orkantief „Lothar“hat im Jahr 1999 große Verwüstungen in Europa angerichtet. 2005 tobte der Orkan „Kyrill“in Deutschland. Können solche Extreme zunehmen?
FRIEDRICH Nach allen Untersuchungen gibt es momentan keine Tendenzen für eine Zunahme solcher außertropischen Tiefs. Manche Simulationen lassen sogar eine Abnahme erwarten, was daran liegen kann, dass die Temperaturunterschiede zwischen den polaren Gebieten und den Subtropen gerade im Winter abnehmen. Das erschwert die Bildung von Orkanen wie „Kyrill“.
Bedeutet das Entwarnung für Deutschland?
FRIEDRICH Das ist falsch, ich habe nur von winterlichen Orkanen gesprochen. Wir müssen auch für Deutschland mit stärkeren Wetterunbillen rechnen. Aber das meint zum Beispiel mehr Starkregen und Überschwemmungen sowie extreme Hitzewellen.
Was lässt sich dagegen tun?
FRIEDRICH Wenn die Katastrophe unmittelbar droht, kann man sich nur noch in Sicherheit bringen. Und für die Zukunft muss man sagen: Jedes Zehntel Grad, um das sich die Erde nicht erwärmt, kann die Extreme etwas abmildern. MIAMI (afp/dpa) Nach seinem Zerstörungszug durch die Karibik bedroht Hurrikan „Irma“das Festland der USA. Die Behörden des Bundesstaats Florida stuften die Lage am Freitag als derart gefährlich ein, dass sie alle 20 Millionen Einwohner zur Vorbereitung auf eine Evakuierung aufriefen. Während auf den verwüsteten karibischen Inseln die Hilfsmaßnahmen anliefen, ging vom erstarkenden Hurrikan „José“neue Gefahr aus. Floridas Gouverneur Rick Scott richtete eine dramatische Warnung an die Bürger: Die gesamte Bevölkerung von Florida müsse darauf vorbereitet sein, „bald“ihre Wohngebiete zu verlassen. Auch im weiter nördlich gelegenen US-Bundesstaat Georgia wurde die Evakuierung von Teilen der Küste angeordnet.
Die Meteorologen erwarten, dass „Irma“am Samstag auf die Südküste von Florida auftrifft. Das Nationale Hurrikan-Zentrum der USA stufte den über die Karibik hinwegziehenden Wirbelsturm zwar am Freitag auf die zweithöchste Stufe vier herab, nannte ihn aber weiterhin „extrem gefährlich“.
Was der Bevölkerung in Florida möglicherweise noch bevorstand, haben viele Menschen in der Karibik bereits hinter sich. Dort kostete der Hurrikan in der Nacht zu Freitag nach Informationen des Senders CNN mindestens 24 Menschen das Leben. „Es ist, als wäre jemand mit einem Rasenmäher vom Himmel über die Insel gegangen“, sagte eine Augenzeugin auf St. Martin dem Rundfunk NOS.
„Irma“verursachte nach Berechnungen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in der Karibik Schäden von rund 10 Milliarden Dollar.