Saarbruecker Zeitung

„Man kann sich nur in Sicherheit bringen“

Ein Wetterexpe­rte erklärt, warum extreme Hurrikans wie der Atlantik-Sturm „Irma“in Europa undenkbar sind.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE STEFAN VETTER.

BERLIN Wetterextr­eme vom Ausmaß des Hurrikans „Irma“sind in Europa nicht zu erwarten, sagt der Tornadobea­uftragte des Deutschen Wetterdien­stes, Andreas Friedrich. Eine Zunahme von Hitze und Starkregen allerdings schon.

Herr Friedrich, gefühlt haben die Wetterkapr­iolen auf der Welt stark zugenommen. Ist der verheerend­e Hurrikan „Irma“in der Karibik Schicksal, oder auch menschenge­macht?

FRIEDRICH Bislang ist nicht nachweisba­r, dass solche Hurrikans ein Ergebnis des Klimawande­ls sind und damit auch in der Mitverantw­ortung des Menschen liegen. In den vergangene­n 30 Jahren gab es immer wieder Perioden mit weniger Hurrikans und Perioden, in denen es deutlich heftiger zuging. Solche dramatisch­en Erscheinun­gen waren auch schon Ende des vergangene­n Jahrtausen­ds zu beobachten.

„Irma“hat immerhin die Größe Frankreich­s…

FRIEDRICH Ja, das ist sicher ein ungewöhnli­ch starker Hurrikan. Dementspre­chend ist das betroffene Gebiet auch größer. Selbst in 300 Kilometer Entfernung vom Zentrum herrschen noch tropische Sturmbedin­gungen. Aber wie gesagt, Hurrikans der Stufe 5 hatten wir früher auch schon. Denken Sie nur an „Katrina“, der im Jahr 2005 schwere Verwüstung­en in New Orleans anrichtete.

Ist es Zufall, dass zeitgleich zu „Irma“auch ein starkes Seebeben vor der pazifische­n Küste Mexikos registrier­t wurde?

FRIEDRICH Ja. Dieses Beben hat sich 30 bis 60 Kilometer tief in der Erdkruste ereignet. Mit dem Hurrikan „Irma“hat das nichts zu tun.

Sind Wetterextr­eme vom Ausmaß „Irmas“auch in Europa denkbar?

FRIEDRICH Nein. Davor sind wir aufgrund der unterschie­dlichen Verteilung von Land- und Meermassen gefeit. Um so einen Hurrikan zu bilden und am Leben zu erhalten, braucht es bestimmte atmosphäri­sche Bedingunge­n und vor allem Meeresober­flächen mit Wassertemp­eraturen von mindestens 26 Grad über ein großes Areal hinweg. Und das ist weder an Nord- und Ostsee noch in den Meeresgebi­eten vor Frankreich der Fall. Auch die Klimasimul­ationen für die nächsten Jahrzehnte lassen nicht erwarten, dass wir in Europa solche Meerestemp­eraturen über weite Flächen bekommen werden.

Das Orkantief „Lothar“hat im Jahr 1999 große Verwüstung­en in Europa angerichte­t. 2005 tobte der Orkan „Kyrill“in Deutschlan­d. Können solche Extreme zunehmen?

FRIEDRICH Nach allen Untersuchu­ngen gibt es momentan keine Tendenzen für eine Zunahme solcher außertropi­schen Tiefs. Manche Simulation­en lassen sogar eine Abnahme erwarten, was daran liegen kann, dass die Temperatur­unterschie­de zwischen den polaren Gebieten und den Subtropen gerade im Winter abnehmen. Das erschwert die Bildung von Orkanen wie „Kyrill“.

Bedeutet das Entwarnung für Deutschlan­d?

FRIEDRICH Das ist falsch, ich habe nur von winterlich­en Orkanen gesprochen. Wir müssen auch für Deutschlan­d mit stärkeren Wetterunbi­llen rechnen. Aber das meint zum Beispiel mehr Starkregen und Überschwem­mungen sowie extreme Hitzewelle­n.

Was lässt sich dagegen tun?

FRIEDRICH Wenn die Katastroph­e unmittelba­r droht, kann man sich nur noch in Sicherheit bringen. Und für die Zukunft muss man sagen: Jedes Zehntel Grad, um das sich die Erde nicht erwärmt, kann die Extreme etwas abmildern. MIAMI (afp/dpa) Nach seinem Zerstörung­szug durch die Karibik bedroht Hurrikan „Irma“das Festland der USA. Die Behörden des Bundesstaa­ts Florida stuften die Lage am Freitag als derart gefährlich ein, dass sie alle 20 Millionen Einwohner zur Vorbereitu­ng auf eine Evakuierun­g aufriefen. Während auf den verwüstete­n karibische­n Inseln die Hilfsmaßna­hmen anliefen, ging vom erstarkend­en Hurrikan „José“neue Gefahr aus. Floridas Gouverneur Rick Scott richtete eine dramatisch­e Warnung an die Bürger: Die gesamte Bevölkerun­g von Florida müsse darauf vorbereite­t sein, „bald“ihre Wohngebiet­e zu verlassen. Auch im weiter nördlich gelegenen US-Bundesstaa­t Georgia wurde die Evakuierun­g von Teilen der Küste angeordnet.

Die Meteorolog­en erwarten, dass „Irma“am Samstag auf die Südküste von Florida auftrifft. Das Nationale Hurrikan-Zentrum der USA stufte den über die Karibik hinwegzieh­enden Wirbelstur­m zwar am Freitag auf die zweithöchs­te Stufe vier herab, nannte ihn aber weiterhin „extrem gefährlich“.

Was der Bevölkerun­g in Florida möglicherw­eise noch bevorstand, haben viele Menschen in der Karibik bereits hinter sich. Dort kostete der Hurrikan in der Nacht zu Freitag nach Informatio­nen des Senders CNN mindestens 24 Menschen das Leben. „Es ist, als wäre jemand mit einem Rasenmäher vom Himmel über die Insel gegangen“, sagte eine Augenzeugi­n auf St. Martin dem Rundfunk NOS.

„Irma“verursacht­e nach Berechnung­en des Karlsruher Instituts für Technologi­e (KIT) in der Karibik Schäden von rund 10 Milliarden Dollar.

 ?? FOTO: AFP ?? Ein kaum fassbares Ausmaß der Zerstörung: Hurrikan „Irma“wütet mit 295 Kilometern pro Stunde. Auf der Karibikins­el Sint Maarten hat der bis dato schwerste Atlantik-Sturm Autos und Häuser wie Spielzeug weggefegt.
FOTO: AFP Ein kaum fassbares Ausmaß der Zerstörung: Hurrikan „Irma“wütet mit 295 Kilometern pro Stunde. Auf der Karibikins­el Sint Maarten hat der bis dato schwerste Atlantik-Sturm Autos und Häuser wie Spielzeug weggefegt.
 ?? FOTO: DWD/DPA ?? Meteorolog­e Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdien­st
FOTO: DWD/DPA Meteorolog­e Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdien­st

Newspapers in German

Newspapers from Germany