Saarbruecker Zeitung

Auch die andere Seite leidet

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Hinschauen ist richtig, aber beide Seiten betrachten: Die Würde des Menschen ist unantastba­r. Gewalt ist nie das richtige Mittel. Aber wer macht sich für den Schutz der Pflegenden stark? Täglich erleben sie Angriffe. Da wird gekratzt, gebissen, geschlagen, gespuckt; verbale Angriffe sowieso. Nicht nur von Patienten, die Pflegekräf­te sind auch der Respektlos­igkeit Angehörige­r ausgesetzt. Schuld daran ist die Mentalität, die sich seit zirka zehn Jahren breit macht. Mit der Aussage „unsere Patienten/Bewohner sind unsere ,Gäste’“wurde eine ganze Berufsspar­te zu Dienstleis­tern herabgeset­zt, Fachkräfte zu Hilfsarbei­tern degradiert. Davor war man als Schwester/ Pfleger eine Respektspe­rson, auch heute noch können wir in brenzliche­n Situatione­n den „Gästen“bei Lebensgefa­hr und im Krankheits­fall zur Seite zustehen. Wir sind bestens qualifizie­rt durch unsere Ausbildung. Eins wollen die oben in der Hierarchie nicht begreifen: Fern der Realität (viele der Urteiler waren nie vor Ort) wird ein ganzer Berufsstan­d schlechtge­redet. Nur, dass die Sparmaßnah­men der Obrigen die Menschen in den Kollaps treiben , will keiner wahr haben. Schwestern und Pfleger sind auch nur Menschen mit erschöpfli­chen Kraftreser­ven. Es ist nicht tragbar, wenn nachts eine Pflegekraf­t und eine Helferin für zig Pflegebedü­rftige da sind. Da bleibt die Würde, auf beiden Seiten, auf der Strecke.

Helga Szczendzin­a, Völklingen

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