Sein Steckenpferd war die Vogelzucht
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Reinhard Wagner.
OBERTHAL-GÜDESWEILER „Endlich einmal können wir machen, was wir wollen“, das hatten sich Reinhard und Ulrike Wagner Ende vergangenen Jahres fest vorgenommen. Der Beruf, die Verpflichtungen in zahlreichen Vereinen und nicht zuletzt die Pflege der an Demenz erkrankten Mutter bestimmten das Leben des Ehepaares. „Wir wollten einfach mal ohne Wecker aufstehen, vielleicht auch mal wegfahren und, wenn es uns gefallen hätte, auch mal über Nacht dort bleiben“, erzählt Ulrike Wagner. Doch all das, sagt sie traurig, konnten sie sich als Paar nicht mehr erfüllen. „Es war einfach ein bisschen sehr früh, dass mein Mann gehen musste“, sagt sie und verharrt einen Moment.
Dann fängt sie an zu erzählen von den vielen kleinen Leidenschaften, die ihren Mann ausgemacht haben. Die Vogelzucht und Theaterspielen, erklärt sie, daran war ihm als Akteur, aber auch im Vorstand, zuletzt auch im Landesverband saarländischer Amateurtheater, sehr gelegen. Sie hat sein Tun stets unterstützt, „das gehört zu einer harmonischen Partnerschaft, wie wir sie hatten, einfach dazu.“Sie haben sich ergänzt, auch zu Hause waren die Aufgaben klar verteilt, sie konnten sich blind aufeinander verlassen. „Es war immer schön, wenn wir zusammen mit den Vereinen weggefahren sind. Auch, wenn ich selbst nicht viel an der Vogelzucht hatte und auch nicht auf der Bühne gestanden habe, so habe ich seine Hobbys immer unterstützt“, sagt sie. Nach dem Tod ihres Mannes, erzählt Ulrike Wagner, sorgen sich die Vereinskameraden um sie, laden sie zu Aktivitäten ein.
Eine Ehe auf Augenhöhe, die im Mai 1970 geschlossen wurde und zwei Söhne hervorbrachte, darauf blickt sie nun wehmütig zurück. „Streit hatten wir nie, einzig an eine Meinungsverschiedenheit, als es um die berufliche Orientierung meines Mannes ging, kann ich mich erinnern.“Geboren wurde Reinhard Wagner am 20. Juli 1948, knapp 20 Jahre später hat er seine Frau kennen
gelernt. „Mein Mann hat vier jüngere Geschwister, bis zuletzt war er der große Bruder und für alle Ansprechpartner bei Problemen aller Art“, erzählt sie. Auch die Geschwister ihres Mannes, betont Ulrike Wagner, kümmern sich rührend um sie. Geboren wurde Reinhard Wagner im Heimatdorf seiner Mutter Elisabeth, in Roschberg, einem sehr kleinen Ortsteil der Gemeinde Namborn. Nach Volks- und Handelsschule hat er eine Lehre zum Industriekaufmann bei der Firma Werle in Ottweiler absolviert. Schon bald danach haben sich die beiden 1968 kennen gelernt. „Wir waren beide noch recht jung, ich gerade mal 18 Jahre alt. Ich wurde recht flott schwanger, und wir haben geheiratet“, erinnert sich Ulrike Wagner, die ihr Mann liebevoll Ulli nannte. Die Arbeit hat
Ulrike Wagner über die harmonische Ehe mit ihrem verstorbenen Mann Reinhard Wagner das junge Paar bald in die Eifel geführt, wo ihr Mann bei der Bundeswehr war. Auch aus dieser Zeit in Luzerath-Driesch, sagt sie, gibt es bis heute Bekannte, die jetzt für sie da sind. Die Söhne Patrick und Torsten sind dort zur Schule gegangen. Nach zwölf Jahren zog es die Familie zurück ins Elternhaus von Ulrike Wagner.
Dort, wo das Paar im Wohnzimmer seine Hochzeit gefeiert hat, ist es schnell wieder heimisch geworden. Eine weitere berufliche Umorientierung führte Reinhard Wagner zum Landgericht nach Saarbrücken. Dort arbeitete er, bis er mit 63 Jahren in Pension ging. Die Hobbys waren, sagt seine Frau, immer ein willkommener Ausgleich. „Schon als Bub hat er in seiner Heimat Theater gespielt, da kam ihm die Gründung der Theaterfreunde Oberthal gerade recht. Mein Mann engagierte sich gleich von Anfang an im Vorstand, stand aber auch immer auf der Bühne, meist in der Hauptrolle“, sagt seine Witwe. Dem Publikum in Oberthal ist Reinhard Wagner als Pastor, Kellner, aber auch als Liebhaber in guter Erinnerung geblieben. Sein zweites Steckenpferd, die Vogelzucht, hat er ebenfalls mit Leib und Seele im Verein gelebt, war von Anfang an im Vorstand. „Perfekt ergänzt haben wir uns bei unserem jährlichen Urlaub, der uns immer in die Berge geführt hatte. Wir beide lieben das Wandern.“Das Allgäu, später auch Österreich waren die Ziele. All das, sagt Ulrike Wagner, war auch trotz der chronischen Darmerkrankung ihres Mannes, die vor rund zehn Jahren diagnostiziert wurde, möglich. Doch im November 2016 änderte sich alles schlagartig: „Mein Mann bekam starke Schmerzen, bestand selbst auf eine Darmspiegelung.“Die brachte die Tragödie ans Tageslicht. „Wir wussten, dass es ein bösartiger Tumor ist, der im Januar operiert werden sollte.“Für die Kinder und die vier Enkel waren die Großeltern stark, haben noch einmal Weihnachten und Silvester gefeiert. Am Neujahrstag dann schenkte Reinhard Wagner seiner Familie reinen Wein ein.
Die Operation in Mannheim ist gut verlaufen, allerdings waren auch die Lymphdrüsen befallen, die Chemo hat ihn umgehauen. „Blasenentzündung, Nierenstau, Lungenentzündung – es ging nur noch bergab.“Die Ärzte schlugen eine Palliativ-Betreuung vor, doch Ulrike Wagner nahm ihren Mann nach Hause, pflegte ihn dort bis zum Ende.
„Mein Mann hat in dieser Zeit alles geklärt, sogar seine Beerdigung war bis ins Kleinste Detail abgesprochen“, erzählt sie. Sein Tod war eine Erlösung, weiß sie, dennoch hätte sie ihn so gerne noch ein bisschen behalten. ............................................. Auf der Seite „Momente" stellt die Saarbrücker Zeitung im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorbener vor. Im Internet: saarbruecker-zeitung.de/lebenswege
„Streit hatten wir nie.“
Michaela Heinze Aloisius Tritz