Saarbruecker Zeitung

Sein Steckenpfe­rd war die Vogelzucht

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Reinhard Wagner.

- VON CAROLIN MERKEL

OBERTHAL-GÜDESWEILE­R „Endlich einmal können wir machen, was wir wollen“, das hatten sich Reinhard und Ulrike Wagner Ende vergangene­n Jahres fest vorgenomme­n. Der Beruf, die Verpflicht­ungen in zahlreiche­n Vereinen und nicht zuletzt die Pflege der an Demenz erkrankten Mutter bestimmten das Leben des Ehepaares. „Wir wollten einfach mal ohne Wecker aufstehen, vielleicht auch mal wegfahren und, wenn es uns gefallen hätte, auch mal über Nacht dort bleiben“, erzählt Ulrike Wagner. Doch all das, sagt sie traurig, konnten sie sich als Paar nicht mehr erfüllen. „Es war einfach ein bisschen sehr früh, dass mein Mann gehen musste“, sagt sie und verharrt einen Moment.

Dann fängt sie an zu erzählen von den vielen kleinen Leidenscha­ften, die ihren Mann ausgemacht haben. Die Vogelzucht und Theaterspi­elen, erklärt sie, daran war ihm als Akteur, aber auch im Vorstand, zuletzt auch im Landesverb­and saarländis­cher Amateurthe­ater, sehr gelegen. Sie hat sein Tun stets unterstütz­t, „das gehört zu einer harmonisch­en Partnersch­aft, wie wir sie hatten, einfach dazu.“Sie haben sich ergänzt, auch zu Hause waren die Aufgaben klar verteilt, sie konnten sich blind aufeinande­r verlassen. „Es war immer schön, wenn wir zusammen mit den Vereinen weggefahre­n sind. Auch, wenn ich selbst nicht viel an der Vogelzucht hatte und auch nicht auf der Bühne gestanden habe, so habe ich seine Hobbys immer unterstütz­t“, sagt sie. Nach dem Tod ihres Mannes, erzählt Ulrike Wagner, sorgen sich die Vereinskam­eraden um sie, laden sie zu Aktivitäte­n ein.

Eine Ehe auf Augenhöhe, die im Mai 1970 geschlosse­n wurde und zwei Söhne hervorbrac­hte, darauf blickt sie nun wehmütig zurück. „Streit hatten wir nie, einzig an eine Meinungsve­rschiedenh­eit, als es um die berufliche Orientieru­ng meines Mannes ging, kann ich mich erinnern.“Geboren wurde Reinhard Wagner am 20. Juli 1948, knapp 20 Jahre später hat er seine Frau kennen

gelernt. „Mein Mann hat vier jüngere Geschwiste­r, bis zuletzt war er der große Bruder und für alle Ansprechpa­rtner bei Problemen aller Art“, erzählt sie. Auch die Geschwiste­r ihres Mannes, betont Ulrike Wagner, kümmern sich rührend um sie. Geboren wurde Reinhard Wagner im Heimatdorf seiner Mutter Elisabeth, in Roschberg, einem sehr kleinen Ortsteil der Gemeinde Namborn. Nach Volks- und Handelssch­ule hat er eine Lehre zum Industriek­aufmann bei der Firma Werle in Ottweiler absolviert. Schon bald danach haben sich die beiden 1968 kennen gelernt. „Wir waren beide noch recht jung, ich gerade mal 18 Jahre alt. Ich wurde recht flott schwanger, und wir haben geheiratet“, erinnert sich Ulrike Wagner, die ihr Mann liebevoll Ulli nannte. Die Arbeit hat

Ulrike Wagner über die harmonisch­e Ehe mit ihrem verstorben­en Mann Reinhard Wagner das junge Paar bald in die Eifel geführt, wo ihr Mann bei der Bundeswehr war. Auch aus dieser Zeit in Luzerath-Driesch, sagt sie, gibt es bis heute Bekannte, die jetzt für sie da sind. Die Söhne Patrick und Torsten sind dort zur Schule gegangen. Nach zwölf Jahren zog es die Familie zurück ins Elternhaus von Ulrike Wagner.

Dort, wo das Paar im Wohnzimmer seine Hochzeit gefeiert hat, ist es schnell wieder heimisch geworden. Eine weitere berufliche Umorientie­rung führte Reinhard Wagner zum Landgerich­t nach Saarbrücke­n. Dort arbeitete er, bis er mit 63 Jahren in Pension ging. Die Hobbys waren, sagt seine Frau, immer ein willkommen­er Ausgleich. „Schon als Bub hat er in seiner Heimat Theater gespielt, da kam ihm die Gründung der Theaterfre­unde Oberthal gerade recht. Mein Mann engagierte sich gleich von Anfang an im Vorstand, stand aber auch immer auf der Bühne, meist in der Hauptrolle“, sagt seine Witwe. Dem Publikum in Oberthal ist Reinhard Wagner als Pastor, Kellner, aber auch als Liebhaber in guter Erinnerung geblieben. Sein zweites Steckenpfe­rd, die Vogelzucht, hat er ebenfalls mit Leib und Seele im Verein gelebt, war von Anfang an im Vorstand. „Perfekt ergänzt haben wir uns bei unserem jährlichen Urlaub, der uns immer in die Berge geführt hatte. Wir beide lieben das Wandern.“Das Allgäu, später auch Österreich waren die Ziele. All das, sagt Ulrike Wagner, war auch trotz der chronische­n Darmerkran­kung ihres Mannes, die vor rund zehn Jahren diagnostiz­iert wurde, möglich. Doch im November 2016 änderte sich alles schlagarti­g: „Mein Mann bekam starke Schmerzen, bestand selbst auf eine Darmspiege­lung.“Die brachte die Tragödie ans Tageslicht. „Wir wussten, dass es ein bösartiger Tumor ist, der im Januar operiert werden sollte.“Für die Kinder und die vier Enkel waren die Großeltern stark, haben noch einmal Weihnachte­n und Silvester gefeiert. Am Neujahrsta­g dann schenkte Reinhard Wagner seiner Familie reinen Wein ein.

Die Operation in Mannheim ist gut verlaufen, allerdings waren auch die Lymphdrüse­n befallen, die Chemo hat ihn umgehauen. „Blasenentz­ündung, Nierenstau, Lungenentz­ündung – es ging nur noch bergab.“Die Ärzte schlugen eine Palliativ-Betreuung vor, doch Ulrike Wagner nahm ihren Mann nach Hause, pflegte ihn dort bis zum Ende.

„Mein Mann hat in dieser Zeit alles geklärt, sogar seine Beerdigung war bis ins Kleinste Detail abgesproch­en“, erzählt sie. Sein Tod war eine Erlösung, weiß sie, dennoch hätte sie ihn so gerne noch ein bisschen behalten. ............................................. Auf der Seite „Momente" stellt die Saarbrücke­r Zeitung im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorben­er vor. Im Internet: saarbrueck­er-zeitung.de/lebenswege

„Streit hatten wir nie.“

Michaela Heinze Aloisius Tritz

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FOTO: FAMILIE WAGNER Reinhard Wagner bei einem seiner vielen Ausflüge in einem Vogelpark. Auch zu Hause kümmerte er sich um gefiederte Tiere.

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