Saarbruecker Zeitung

Kriminelle spionieren Kraftwerke aus

Die Furcht vorSabotag e wichtig e rVe rsorg ung se inrichtung e n übe rdas Inte rne t wächst se it Jahre n. Siche rhe itsforsche r be obachte n nun imme rhäufig e rVe rsuche von Hacke rn, die dafürnötig e n Informatio­ne n zu samme ln.

- VON ANDREJ SOKOLOW

BERLIN (dpa) Eine seit Jahren aktive Hacker-Gruppe kundschaft­et laut IT-Sicherheit­sexperten Kraftwerke aus, um sie sabotieren zu können. Dabei gehe es derzeit darum, in Computerne­tze einzudring­en und Informatio­nen zu sammeln, erklärte die Sicherheit­ssoftwaref­irma Symantec. Die Hacker seien in Netze von 20 Unternehme­n in den USA, sechs in der Türkei und eines Branchenzu­lieferers in der Schweiz eingedrung­en. Auch Kraftwerke in Deutschlan­d, Frankreich, den Niederland­en und Belgien seien dabei ins Visier geraten, Symantec habe aber in diesen Ländern keine erfolgreic­hen Angriffe entdeckt.

Die Angreifer hätten in einigen Fällen Screenshot­s der Steuersoft­ware der Industriea­nlagen angefertig­t, um sie zu studieren. Dadurch seien die Angreifer dem Ziel näher gekommen, die Kontrolle über die Anlagen zu übernehmen, sagte Symantec-Forscher Candid Wüest. Auch seien gezielt Dokumente gestohlen worden. Es sei davon auszugehen, dass unter den PDF- und Word-Dateien auch Aufbauplän­e für einzelne Komponente­n seien. „Das ermöglicht jetzt, mit diesem Wissen einen nächsten Angriff besser vorzuberei­ten, selbst wenn die Passwörter geändert wurden.“Symantec habe dabei keine Angriffe auf Atomkraftw­erke festgestel­lt.

„Wir sehen, dass die wahrschein­lichsten Ziele Fernzugrif­f und Sabotage sind“, sagte Candid Wüest zum Vorgehen der Angreifer. „Wir gehen nicht davon aus, dass es sich hier um Industries­pionage handelt.“In den bisher bekannten Fällen war es Hackern 2015 und 2016 gelungen, Kraftwerke in der Ukraine zu stören.

Die Gruppe, die derzeit in die Netze der Kraftwerke einzudring­en versucht, ist laut Symantec bereits seit 2011 aktiv und wird unter dem Namen „Dragonfly“geführt. Die Sicherheit­sforscher legen sich nicht auf die Herkunft der Gruppe fest. Im Softwareco­de seien Fragmente auf Russisch und Französisc­h gefunden worden, das könnten aber auch falsche Fährten sein.

Die höhere Erfolgsquo­te in den USA und der Türkei liege daran, dass Anlagen in diesen Ländern besonders massiv angegriffe­n worden seien, sagte Wüest. Da Symantec nicht alle Energieunt­ernehmen als Kunden habe, sei davon auszugehen, dass mehr Firmen von den Attacken betroffen seien.

Industriea­nlagen in Kraftwerke­n werden zwar grundsätzl­ich vom Internet getrennt, um die Gefahr von Online-Angriffen gering zu halten. „Aber es gibt auch immer mehr Wind- und Wasserkraf­twerke, die sehr wohl am Internet hängen, allein damit alles zentral gesteuert werden kann“, betonte der Symantec-Experte. Gleichzeit­ig helfe die Spionage potenziell­en Angreifern selbst bei vom Internet isolierten Systemen, deren Bestandtei­le und Aufbau zu kennen.

Die Angriffe hätte im Mai 2017 einen Höchststan­d erreicht und seien danach etwas zurückgega­ngen, die Hacker seien aber bis zuletzt aktiv gewesen. „Für uns legt das nahe, dass die ganze Aktion noch nicht beendet und vielleicht erst in der Vorbereitu­ngsphase ist“, sagte Candid Wüest.

Auch Militäranl­agen gelten als potenziell­e Angriffszi­ele von Hackern. Die Europäisch­e Union hat den Cyber-Krieg mittlerwei­le als Priorität in ihrer Sicherheit­sstrategie definiert und ihre Schutzsyst­eme zuletzt deutlich ausgebaut. Es wurden ein IT-Notfalltea­m für den Luftverkeh­r und eine Sondereinh­eit für Cybersiche­rheit aufgebaut.

Beim EU-Außenminis­tertreffen vergangene Woche in Estland wurde eine Notfallsit­uation simuliert, bei der Unbekannte einen CyberAngri­ff auf ein militärisc­hes Hauptquart­ier in der EU verüben. Dabei wurde durchgespi­elt, was passiert, wenn Befehle herausgege­ben würden, die weder von der Nato noch von einem nationale Befehlshab­er kamen, Viren und Trojaner Rechner lahmlegen und im Internet massenhaft falsche Informatio­nen auftauchen. Estland war 2007 einer flächendec­kenden Cyber-Attacke ausgesetzt: Online-Angebote waren tagelang gestört, Regierung, Wirtschaft und Medien nur eingeschrä­nkt handlungsf­ähig.

 ?? FOTO: RUMPENHORS­T/DPA ?? Internet-Kriminelle studieren bereits die Steuersoft­ware von Industriea­nlagen, warnen Sicherheit­sforscher.
FOTO: RUMPENHORS­T/DPA Internet-Kriminelle studieren bereits die Steuersoft­ware von Industriea­nlagen, warnen Sicherheit­sforscher.

Newspapers in German

Newspapers from Germany