Saarbruecker Zeitung

Saar-Stahlindus­trie will eigenständ­ig bleiben

Der Chef der Stahl-Holding-Saar (SHS) sieht die Chancen für die saarländis­che Stahlindus­trie in ihren hochwertig­en Produkten.

- DIE FRAGEN STELLTE LOTHAR WARSCHEID

DILLINGEN (low) Die Stahlkonze­rne an der Saar sollen weiter eigenständ­ig bleiben und „keine Kooperatio­nen eingehen, die zu Lasten der saarländis­chen Stahlindus­trie gehen“. Das betont der Vorsitzend­e der Montan-Stiftung und SHSStahl-Holding-Saar, Michael Müller, in einem Interview mit der Saarbrücke­r Zeitung. Die Stiftung habe eine klare Aufgabe, „nämlich die Sicherung der saarländis­chen Stahlindus­trie“. Das Geld, das hier verdient werde, „soll auch an der Saar investiert werden“. Andere Stahlunter­nehmen müssten die Interessen ihrer Aktionäre berücksich­tigen. Das vertrage sich nicht mit einer Stiftungs-Lösung, sagt Müller. Die Lage der Saar-Stahlindus­trie sieht er trotz der angekündig­ten Teilschlie­ßung der Saarschmie­de positiv. Sowohl Saarstahl als auch die Dillinger Hütte würden sich am Markt gut schlagen.

DILLINGEN/VÖLKLINGEN Die saarländis­che Stahlindus­trie hat aufregende Tage hinter sich. In der vergangene­n Woche wurde die Teil-Stilllegun­g der Saarschmie­de beschlosse­n, was mit einem Abbau von rund 430 Arbeitsplä­tzen verbunden ist. Wenige Tage später segnete der Saarstahl-Aufsichtsr­at eine 100 Millionen teure Investitio­n in eine neue Stranggieß­anlage im Völklinger Stahlwerk ab. Über die Situation der saarländis­chen Stahlindus­trie haben wir nach den Aufsichtsr­atssitzung­en mit dem Kuratorium­svorsitzen­den der Montan-Stiftung Saar, Michael Müller, gesprochen. Müller ist auch Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der SHS-Stahl-Holding-Saar, der Obergesell­schaft der Dillinger Hütte und der Saarstahl AG. Außerdem ist er Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der beiden Gesellscha­ften.

Die Stahlmärkt­e haben sich ein wenig erholt. Ist das von Dauer oder kann sich der Wind wieder drehen?

MÜLLER Das Stahlgesch­äft ist sehr volatil. Das Blatt kann sich rasch wieder wenden. Es ist auch abhängig davon, wie die Politik auf Dumpingpre­ise reagiert. Derzeit schotten die USA ihren Stahlmarkt ab, was insbesonde­re die deutschen Stahlprodu­zenten Dillinger Hütte und Salzgitter trifft. Derzeit ist die Situation in den Vereinigte­n Staaten so, dass an den Zöllen festgehalt­en wird beziehungs­weise sie noch erhöht werden sollen. Wir können heute nicht mehr in die USA liefern. Gegenüber China hat die EU-Kommission bei den Grobbleche­n, dem Kernproduk­t der Dillinger Hütte, Positives bewirkt. Doch dann kommen plötzlich Indien und Südkorea mit Mengen und Preisen auf den Markt, gegen die man auch antreten muss. Bei den hohen Grobblech-Importen hat sich daher nichts verändert. Die Einfuhren haben sich nur verlagert. Damit müssen wir auch in Zukunft leben. Wir werden das auch schaffen. Denn wir haben Herstellun­gsverfahre­n, die hinsichtli­ch ihrer Produkt-Qualität Weltspitze sind. Solche Produkte benötigt zwar nicht jeder, mancher ist auch mit einfachere­n Qualitäten zufrieden. Aber es gibt auch einen Bedarf für hochwertig­e Produkte – und das ist unsere Zukunft.

Wie sieht es bei der zukünftige­n Ausgestalt­ung des Emissionsz­ertifikate-Handels auf EU-Ebene aus?

MÜLLER Hier haben wir die Unterstütz­ung der Landesregi­erung und von Teilen der Bundesregi­erung. Wir hoffen, dass sich in der EU-Kommission und im Parlament eine eher maßvolle Position durchsetzt. Mit Entscheidu­ngen rechnen wir allerdings erst nach der Bundestags­wahl.

Wie gut sind denn die Unternehme­n ausgelaste­t?

MÜLLER Hier sind wir auf einem guten Weg. Wir können die rund 4,6 Millionen Tonnen Roheisen, die wir in den Dillinger Hochöfen der Rogesa jährlich erschmelze­n, in den beiden Stahlwerke­n weitervera­rbeiten und am Markt absetzen. Das ist eine Leistung, die man nicht geringschä­tzen darf.

Die Auslastung ist das eine, Umsatz und Erträge das andere. Wie sieht es denn da aus?

MÜLLER Die Lage bei Saarstahl ist gut und die Umsatzerlö­se haben sich deutlich verbessert. Das hängt mit der guten Auslastung sowohl in der Automobil-Industrie, als auch in der Bauwirtsch­aft und beim Maschinenb­au zusammen. Diese Branchen laufen derzeit gut und die Preise steigen. Deswegen werden wir auch in Völklingen ein zufriedens­tellendes Jahreserge­bnis erzielen.

Wie sieht es in Dillingen aus?

MÜLLER Das Grobblech erlebt nicht den gleichen Siegeszug wie die Völklinger Langproduk­te. Dennoch können wir 2017 den Umsatz gegenüber dem Vorjahr deutlich steigern. Das liegt daran, dass die Versand-Mengen steigen, aber auch höhere Preise erzielt werden können. Allerdings war das Jahr 2016 wegen der Dumping-Problemati­k bei Mengen und Preisen besonders schwach. Wir können in diesem Jahr 150 000 Tonnen mehr an Grobbleche­n absetzen. Daher haben wir in Dillingen auch eine spürbare Ergebnis-Verbesseru­ng. Aber wir sind noch nicht richtig positiv, sondern eher ausgeglich­en.

Erfüllt denn die Investitio­n in die neue Stranggieß-Anlage CC6 in Dillingen, die vor einem Jahr in Betrieb ging und 400 Millionen Euro gekostet hat, die Erwartunge­n?

MÜLLER Wir haben in der Aufsichtsr­atssitzung von Technik-Vorstand Bernd Münnich gehört, dass die Anlage gut ausgelaste­t ist, alle Erwartunge­n erfüllt und teilweise sogar übertrifft. Wir können dort Stähle in hoher Qualität herstellen. Außerdem ist die Fertigung wesentlich produktive­r als bei anderen Anlagen. Für unsere Kunden bringt die CC6 zum Beispiel einen geringeren Schweißauf­wand bei größeren Bauteilen, und damit auch einen Zeitgewinn bei der Ausführung solcher Aufträge.

Wie lange kann sich die saarländis­che Stahlindus­trie noch als eigenständ­ige Einheit halten? Muss sie nicht irgendwann auf Partnersuc­he gehen?

MÜLLER Wir sind ein Stiftungsu­nternehmen. Die Montan-Stiftung Saar hat eine klare Aufgabe, nämlich die Sicherung der saarländis­chen Stahlindus­trie. Alles was wir tun, hat unter diesem Gesichtspu­nkt zu erfolgen. Börsennoti­erte Unternehme­n haben einen gänzlich anderen Fokus hinsichtli­ch der Aktionärss­truktur und der Gewinnverw­endung. Das Geld, das wir hier verdienen, soll auch an der Saar investiert werden – und vielleicht auch außerhalb des Saarlands, wenn es der saarländis­chen Stahlindus­trie nützt. Die Stahlunter­nehmen schütten gerade einmal eine Million Euro an die Stiftung aus, damit wir unsere Aufgaben erfüllen können. Uns geht es mit dem „Stand alone“gut, und wenn wir mit anderen reden, müssen wir uns fragen: „ist es für uns an der Saar hilfreich?“. Wir können keine Kooperatio­nen eingehen, die zu Lasten der saarländis­chen Stahlindus­trie gehen.

Wohin führt dieser Weg?

MÜLLER Wir werden uns im Vertrieb stärker internatio­nalisieren. Eine von uns unlängst in Auftrag gegebene Marktanaly­se zeigt, dass wir uns noch stärker in Osteuropa engagieren sollen. Das betrifft sowohl die osteuropäi­schen EU-Staaten, als auch Russland. Außerdem müssen wir mit unseren Schlüsselk­unden auf technische­r Ebene noch stärker zusammenar­beiten und auf deren Bedürfniss­e eingehen. Auch unsere Forschung und Entwicklun­g müssen wir weiter vorantreib­en – sowohl zusammen mit unseren Schlüsselk­unden als auch mit Hochschul-Instituten. Ebenso gilt es, den Ausbau von Digitalisi­erung und Industrie – hier sind wir schon mitten drin – weiter fortzusetz­en. Das wird uns auch den Vorsprung sichern, den wir brauchen.

 ?? FOTO: ROLF RUPPENTHAL ?? Die neue Großschmie­de galt als das Zukunftspr­ojekt bei Saarstahl. Vergangene Woche fiel der Beschluss, die 450-Millionen-Euro teure Anlage einzumotte­n.
FOTO: ROLF RUPPENTHAL Die neue Großschmie­de galt als das Zukunftspr­ojekt bei Saarstahl. Vergangene Woche fiel der Beschluss, die 450-Millionen-Euro teure Anlage einzumotte­n.
 ??  ??
 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? SHS-Chef Michael Müller
FOTO: OLIVER DIETZE SHS-Chef Michael Müller

Newspapers in German

Newspapers from Germany