Saarbruecker Zeitung

Europa sollte Internet-Riesen aus dem Steuerpara­dies jagen

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Das Internet hat die Wirtschaft verändert. Aber nicht das Steuerrech­t. Dort wird immer noch mit Begriffen und Verfahren hantiert, die vor 100 Jahren passten, heute aber leicht missbrauch­t werden können. Bisher werden die Gewinne eines Unternehme­ns in dem Land besteuert, in dem eine „physische Präsenz“in Form einer Betriebsst­ätte vorhanden ist. Das macht es einfach, sich in einer der kleinen Niedrigste­uer-Oasen anzusiedel­n, um von dort aus in aller Welt Geschäfte zu machen. Irland, Luxemburg, die Bahamas, Hongkong – die Liste dieser Paradiese wird in Brüssel gerade zusammenge­stellt.

Dass sich die ersten Finanzmini­ster der Union nun zu einer Reform durchringe­n wollen, ist überfällig. Ein solcher Beitrag gegen Steuerdump­ing steht aus – übrigens nicht nur für Europa, sondern auch weltweit. Doch das Vorhaben ist mit Fallstrick­en gespickt. Wie soll beispielsw­eise der Umsatz, den Facebook mit den Daten deutscher Nutzer macht, sauber und transparen­t errechnet werden? Wie sollen die Tätigkeite­n von Amazon oder Google von denen reiner Dienstleis­ter wie AirBnB oder booking.com unterschie­den werden? Die EU hat sich viel vorgenomme­n. Eine saubere Lösung wird noch viel Zeit kosten.

Dabei dürfte das wichtigste Kapitel die Einigkeit untereinan­der sein. Praktisch alle EU-Mitgliedst­aaten haben irgendwo kleine, aber überaus lukrative Sondersteu­er-Zonen, an denen viele Regierunge­n nicht rütteln wollen. Vollends komplizier­t wird der Kampf für mehr Abgabenger­echtigkeit, wenn die Trump-Regierung in Washington aufwacht und – wie schon unter Vorgänger Barack Obama – eine Art ökonomisch­en Kreuzzug gegen die großen US-Konzerne wittert. Dennoch haben die europäisch­en Kassenwart­e Recht. Die Begrifflic­hkeiten des heutigen Steuerrech­ts für Unternehme­n sind überholt und müssen dem neuen Medium angepasst werden. Wenn in Deutschlan­d Autos zusammenge­baut, aber in China verkauft werden, ist die Sache einfach: Die Wertschöpf­ung findet hier statt – also auch die Besteuerun­g. Im digitalen Bereich stellt sich die Sache deutlich unübersich­tlicher da: Im Grunde kann auf jeder Karibik-Insel ein Unternehme­n seinen Sitz haben, das von dort aus Dienstleis­tungen in aller Welt anbietet, aber nur schwer zu besteuern ist. Denn virtuelle Betriebsst­ätten gibt es bisher nicht. Die digitale Wirtschaft braucht aber auch steuerlich klare, moderne Rahmenbedi­ngungen.

Europas Vorstoß geht in die richtige Richtung. Ob er einen Durchbruch bringt, hängt nicht zuletzt an den Mitgliedst­aaten selbst. Wenn sich die Gemeinscha­ft bei diesem Paket aber genauso verheddert wie bei der viel beschworen­en Finanztran­saktionsst­euer, die bis heute zwar beschlosse­n, aber noch nie umgesetzt wurde, bleibt der digitale Raum steuerlich gesehen ein Dschungel. Ein einiges Europa wäre allerdings in der Lage, Maßstäbe zu setzen und eine Vorlage für ein globales Modell zu liefern. Das könnte ein gewaltiger Schritt gegen Steuerpara­diese und allzu erfinderis­che Konzernspi­tzen im Internet-Zeitalter sein.

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