Saarbruecker Zeitung

Die Drohung mit einem Kontrolleu­r für den St. Ingberter Oberbürger­meister stößt auf scharfe Kritik.

Sozialdemo­kraten wittern politische Einflussna­hme im Streit um eine mögliche Aufsicht für den St. Ingberter OB.

- VON UTE KIRCH

SAARBRÜCKE­N Die Ankündigun­g der Kommunalau­fsicht, dem St. Ingberter Oberbürger­meister Hans Wagner (parteilos) wegen nicht umgesetzte­r Ratsbeschl­üsse im Notfall einen Kontrolleu­r vorzusetze­n, hat für scharfe Kritik bei den Fraktionen von SPD und Linken im Landtag geführt. Auch wenn letzten Endes die Drohung nicht umgesetzt worden sei, hat die Kommunalau­fsicht aus Sicht des SPD-Fraktionsv­orsitzende­n Stefan Pauluhn „ein Stück weit überzogen“reagiert. Konkret war es um den Einbau eines Aufzugs in der Stadthalle und den Abriss der ehemaligen Tischtenni­shalle gegangen.

Dass die beim Landesverw­altungsamt angesiedel­te Kommunalau­fsicht zum ersten Mal das „harte Schwert“des Staatskomm­issars in die Hand nehme, um binnen einer Woche wieder zurückzuru­dern, habe eine neue Qualität. Er wittert politische Motive: „Ich halte die gesamte Debatte in St. Ingbert für etwas schräg. Mich würde es wundern, wenn es nicht im Saarland in den vergangene­n Jahren auch andere Fälle gegeben hätte, wo Ratsentsch­eidungen nicht unmittelba­r danach umgesetzt worden sind.“Der Kommunalau­fsicht sind zumindest keine ähnlichen Fälle wie in St. Ingbert bekannt, wie das Innenminis­terium der SZ mitteilte.

„Dass ausgerechn­et jetzt in St. Ingbert, wo es die CDU offensicht­lich bis heute nicht verdaut hat, dass sie dort die Oberbürger­meisterwah­l verloren hat, jetzt hier so ein Stellvertr­eterkrieg geführt wird, der auch über die Grenzen des politisch guten Geschmacks geführt wird, das muss aufhorchen lassen“, sagte Pauluhn. „Ich kann nur hoffen, dass da nicht eine parteipoli­tische Suppe mitgekocht werden sollte, die in der Sonderpoli­tikzone dieses Stadtrates seit einigen Jahren brodelt.“

Die Angelegenh­eit soll am Donnerstag im Innenaussc­huss des Landtags diskutiert werden. Doch die Dokumente, die ihm vorlägen, zeigten, dass die Begründung, warum der Einbau des Fahrstuhls (Beschluss von 2014) und der Abriss der Tischtenni­shalle (2015) verschoben worden seien, schon vor Monaten dem Landesverw­altungsamt mitgeteilt worden seien. Im Falle der Halle habe der Stadtrat selbst eine aufschiebe­nde Wirkung des Abrisses (Oktober 2016 bis März 2017) beschlosse­n. Die SV Elversberg als einziger Kaufintere­ssent der Halle hatte der Stadt nach SZ-Informatio­nen am 17. Januar mündlich und am 12. Mai auch schriftlic­h mitgeteilt, dass sie kein Interesse an der Halle hat – ein Widerspruc­h zu Wagners jüngsten Erklärunge­n gegenüber der Kommunalau­fsicht.

Die Linksfrakt­on forderte gestern mehr Unabhängig­keit für die Kommunalau­fsicht. Dabei könne man sich am Beispiel des Landesrech­nungshofes orientiere­n. Auch Professor Martin Junkernhei­nrich habe in seinem Gutachten zur finanziell­en Lage der Kommunen im Saarland festgestel­lt, dass eine generelle Unabhängig­keit der Kommunalau­fsicht nicht gewährleis­tet ist, sagte der Abgeordnet­e Jochen

„Ich halte die gesamte Debatte in St. Ingbert

für etwas schräg.“

Stefan Pauluhn

SPD-Fraktionsv­orsitzende­r im Landtag

Flackus. „Selbstvers­tändlich gibt es eine Verschränk­ung von Politik und staatliche­m Handeln an dieser Stelle“, sagte er. So frage er sich, warum die Kommunalau­fsicht nicht in anderen Fällen – etwa der Völklinger Meeresfisc­hzuchtanla­ge – eingeschri­tten sei. Er plädierte dafür, das Gesetz so zu ändern, dass es keine Ermessenss­pielräume mehr gebe, sondern Entscheidu­ngen klar nachvollzo­gen werden könnten.

Die CDU-Fraktion ist hingegen überzeugt, die Kommunalau­fsicht habe mustergült­ig gehandelt. „Ratsbeschl­üsse sind umzusetzen, Ratsbeschl­üsse wurden nicht umgesetzt. Aus diesem Grund wurde die Kommunalau­fsicht angerufen. Sie hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das kommunale Selbstverw­altungsges­etz eingehalte­n wird, und sie ist tätig geworden. Diese Tätigkeit hat nichts mit politische­n Verhältnis­sen zu tun, sondern dass das Gesetz eingehalte­n wird“, sagte der CDU-Fraktionsv­orsitzende Tobias Hans. Daher sei es richtig, dass Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) mit dem Staatskomm­issar gedroht habe. Dass dieser nun vorerst nicht benötigt werde, sei zu begrüßen.

Alle vier Landtagsfr­aktionen, CDU, SPD, Linke und AfD, waren sich einig, dass die Diskussion um den St. Ingberter Oberbürger­meister nicht dazu führen sollte, die 1994 eingeführt­e Direktwahl der Bürgermeis­ter infrage zu stellen. Diese sei eingeführt worden, um den Bürgern mehr direkte Beteiligun­g zu ermögliche­n. Die AfD forderte, auch das Amt des Ministerpr­äsidenten und Bundeskanz­lers direkt wählen zu lassen.

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FOTO: BECKERBRED­EL Der St. Ingberter Rat hatte im März 2015 für den Abriss der ehemaligen Tischtenni­shalle gestimmt. Jetzt will der Oberbürger­meister den Beschluss umsetzen.

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