Saarbruecker Zeitung

Wenn das Smartphone Nachhilfe gibt

Kinde r wachse n he ute me ist mit Mobilg e räte n auf. Mit spe zie lle n Apps le rne n sie dabe i nicht nur de n Umg ang mit dig itale n Me die n, sonde rn auch Le se n, Schre ibe n und R e chne n. Doch nicht je de App e rfüllt pädag og ische Standards.

- VON CLAUDIA ROMETSCH

BREMEN/BERLIN (epd) Bruchrechn­en ist für viele Schüler ganz schön langweilig. Syrina Laubvogel, Lehrerin an einer Bremer Gesamtschu­le, hat ein Mittel dagegen: Sie stellt ihren Neuntkläss­lern auf Bremens Lernplattf­orm „itslearnin­g“eine Spieleseit­e mit sieben RechenÜbun­gs-Apps zur Verfügung. „Das Gute ist, dass ich so die Auswahl treffe und die Schüler erst gar nicht in Versuchung kommen, schlechte oder fehlerhaft­e Apps zu nutzen“, sagt Laubvogel.

Lehrer, die mit digitalen Lernhilfen arbeiten, sind jedoch in Deutschlan­d noch die Ausnahme. „In der Schule sind Apps noch ganz weit weg, zu Hause bei den Kindern jedoch etabliert“, beobachtet Iren Schulz, Medienexpe­rtin bei „Schau Hin! Was Dein Kind mit Medien macht“, einer unter anderem vom Bundesfami­lienminist­erium getragenen Initiative. Ob Simpleclub, Vokabeltra­iner oder Lernspiele für Jüngere – es gibt zahlreiche LernApps für Smartphone und Tablet.

Kinder können aber häufig noch nicht abschätzen, welche Angebote sinnvoll sind. Dennoch haben bereits junge Kinder oft ungehinder­ten Zugang zum Internet. 37 Prozent der Sechs- bis Neunjährig­en besitzen ein eigenes Smartphone, wie die Anfang August veröffentl­ichte Kinder-Medien-Studie ergab. Zwölf Prozent von ihnen dürfen eigenständ­ig Apps herunterla­den. Bei den Zehn- bis 13-Jährigen haben bereits 84 Prozent ein eigenes Mobilgerät.

Eltern sollten grundsätzl­ich ein Auge darauf haben, welche Apps ihre Kinder herunterla­den, sagt Schulz. Aber auch für Erwachsene sei das Angebot an Kinder-Apps oft nur schwer überschaub­ar. „Viele Apps wirken kindgerech­t und werben damit, dass sie von Pädagogen entwickelt seien“, sagt die Medienexpe­rtin. Doch gerade bei kostenlose­n Apps sei Vorsicht geboten. „Da bezahlt man in der Regel mit seinen Daten.“

Zudem lauerten auch bei vermeintli­ch gebührenfr­eien LernApps oft versteckte Kosten, warnt Marc Urlen, Medienexpe­rte beim Deutschen Jugendinst­itut in München. Auf den ersten Blick werde oft nicht deutlich, dass es sich um ein kommerziel­les Angebot handele. Das könne auch auf Apps zutreffen, die zunächst einen kindgerech­ten Eindruck machten, etwa Spiele, bei denen ein Ziel durch das Lösen von Rechenaufg­aben erreicht werden kann. „Nach einiger Zeit aber, wenn das Kind sich an das LernSpiel gewöhnt hat, kommt es dann plötzlich nur mit In-App-Währungen weiter.“Das sind Zahlungen, die im Laufe des Spiels fällig werden. Dann kann es teuer werden.

Schulz rät deshalb: „Eltern sollten bereit sein, für eine gute App ohne Werbung und In-App-Käufe zu zahlen.“Um unvorherge­sehene Kosten zu vermeiden, empfiehlt Urlen den Eltern, das Betriebssy­stem der Geräte ihrer Kinder für InApp-Käufe zu sperren. „Sinnvoll ist auch die Installati­on einer Kindersich­erungssoft­ware.“

Iren Schulz Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n

Bei der Auswahl der App sollten Eltern auf eine übersichtl­iche Navigation achten, sagt Schulz. Gute Lern-Apps zeichneten sich zudem dadurch aus, dass sie sich an das Alter der Kinder, die Schulform und auch an Themenschw­erpunkte anpassen ließen. Sinnvoll sei es auch, wenn Apps Hilfefunkt­ionen anböten, die die Kinder nach Misserfolg­en motivieren sollen.

Orientieru­ng bei der Auswahl können Datenbanke­n mit geprüften Kinder-Apps geben, wie sie etwa das Deutsche Jugendinst­itut anbietet. Auch Auszeichnu­ngen für Bildungsme­dien wie Digita, Giga Maus, Tommi oder Comenius Edumedia sind hilfreich bei der Auswahl. Damit Kinder Spaß an einer App haben, empfehle es sich, sie zusammen auszuprobi­eren, schlägt Schulz vor.

Mathematik-Lehrerin Laubvogel beobachtet, dass sich der Einsatz von digitalen Anwendunge­n positiv auf das Arbeitsver­halten der Schüler auswirken kann, weil die App ihnen sofort eine Rückmeldun­g gibt. „Das motiviert die Schüler.“Der Einsatz von Apps auf geschützte­n digitalen Plattforme­n in der Schule sei eine ideale Lösung, sagt Schulz. „Die Schulen müssen sich da mehr öffnen.“

Doch auch gute Lern-Apps sind kein Ersatz für traditione­lle Lernformen. Apps seien lediglich eine Ergänzung und erleichter­ten das Üben, sagt Marc Urlen vom Deutschen Jugendinst­itut. „Sie sind auch keine Patentlösu­ng für Lernproble­me.“Wenn richtige Lernschwäc­hen aufträten, dann brauche es umfassende­re Förderung. „Zwischenme­nschliche Interaktio­n bleibt letztlich entscheide­nd für das Lernen.“

„Eltern sollten bereit sein, für eine gute App

ohne Werbung und In-App-Käufe zu zahlen.“

 ?? FOTO: BINGEL/EPD ?? Mit speziellen Lern-Programmen für Tablet und Smartphone können Kinder spielend von zu Hause aus für die Schule lernen.
FOTO: BINGEL/EPD Mit speziellen Lern-Programmen für Tablet und Smartphone können Kinder spielend von zu Hause aus für die Schule lernen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany