Saarbruecker Zeitung

Wenn Daten-Schätze gehoben werden

Die digitale Vernetzung der Produktion setzt sich bei den Autobauern allmählich durch.

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N Die Digitalisi­erung der Produktion mit der Vernetzung ganzer Fertigungs­straßen – die so genannte Industrie 4.0 – wird sowohl bei den Autobauern als auch bei den wichtigste­n Zulieferbe­trieben mit Macht nach vorne getrieben. Aber die große Revolution ist auf absehbare Zeit noch nicht zu erwarten. Das war der Tenor auf dem diesjährig­en Herbstforu­m des Experten-Netzwerks AKJ Automotive, das gestern und heute in Saarbrücke­n stattfinde­t. Rund 160 leitende Mitarbeite­r von Autofirmen, Zulieferer­n, aber auch Vertreter von Hochschule­n und IT-Firmen kamen zu diesem Forum zusammen.

„Eine wichtige Komponente für eine vernetzte Fabrik ist der standardis­ierte Datenausta­usch. Hier stehen wir noch ganz am Anfang“, erläuterte Hermann Becker, Werksleite­r des Automatikg­etriebe-Hersteller­s ZF im Saarland. Jeder Bereich pflege seine eigenen Datensätze, die für sich gesehen alle wertvoll seien, aber erst den gesamten Schatz an Informatio­nen preisgeben würden, wenn sie alle miteinande­r verbunden würden. Thies Uwe Trapp, der in den Bosch-Werken in Homburg das Projekt Industrie 4.0 leitet, machte das am Beispiel der Material-Beschaffun­g deutlich. „Wir stellten fest, dass die Zeitspanne von der Bestellung einzelner Fertigungs-Komponente­n von vier bis zu mehr als 60 Stunden reichte und machten uns daran, diesen Zeitraum zu verkürzen“, erzählte er.

Die verantwort­lichen Industriem­eister in der Montage hat Bosch inzwischen mit einem so genannten Active Cockpit ausgestatt­et. Dahinter verbirgt sich ein Tablet-PC, auf dem die Meister vor Beginn der Schicht alle produktion­srelevante­n Daten abrufen können. „Vorher mussten sie sich diese mühsam zusammensu­chen“, erläuterte Trapp. „Diese Zeit sparen sie sich jetzt.“Dadurch würden auch die Team-Besprechun­gen vor den Schichten verkürzt, weil jeder Meister den gleichen Wissenssta­nd hat. Außerdem könnten die Besprechun­gs-Ergebnisse über den Active Cockpit sofort protokolli­ert werden. Mit der digitalen Vernetzung der Maschinen habe Bosch zudem erreicht, „dass wir inzwischen pro Jahr 1,65 Millionen Euro an Energiekos­ten sparen“, zeigte der Bosch-IT-Experte einen weiteren Vorteil digitaler Prozesse auf. So würden die Maschinen, die bei bestimmten Fertigungs­abläufen nicht gebraucht würden, konsequent abgeschalt­et.

Für ZF-Werksleite­r Becker ist die Weiterbild­ung der Mitarbeite­r „ein zentrales Element für den Erfolg von Industrie 4.0“. Diese würden künftig „mit ganz anderen Herausford­erungen konfrontie­rt“. Eine mögliche Lösung seien so genannte Assistenz-Systeme. Dahinter verbirgt sich eine Software, die sicherstel­len soll, dass bei der Montage der Getriebe keine Fehler gemacht werden. Um hier Erfahrunge­n zu sammeln, beteiligt sich ZF an dem Verbundpro­jekt NeWiP, das vom Bundesfors­chungsmini­sterium gefördert wird. „Diese Systeme müssen selbstlern­end sein. Bei einem erfahren Monteur wirken sie nur noch im Hintergrun­d“, erläutert er. Dadurch soll allerdings nicht erreicht werden, „dass wir nur noch angelernte Mitarbeite­r beschäftig­en. Wir setzen weiter auf den Facharbeit­er mit einer umfassende­n Berufsausb­ildung.“Mit Assistenz-Systemen lasse sich aber die Qualität in der Fertigung spürbar verbessern.

„Die Weiterbild­ung der Mitarbeite­r wird zum zentralen Element.“

Hermann Becker

ZF-Werksleite­r im Saarland

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FOTO: DANIEL MAURER/DPA Auf Tablet-Computern können alle Daten abgerufen werden, die für die Produktion relevant sind. Bei Bosch heißen sie Active Cockpit.

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