Rustikale Naturburschen
David Rawlings? Irgendwo schon mal gehört… Ja, das kann sehr gut sein, schließlich hat sich der Mann als musikalischer Partner der gefeierten Gillian Welch schon etlichen Lorbeer verdient. Gemeinsame Alben – zuvorderst „Time (The Revelator)“(2001) – sind zurecht kultig verehrte Meilensteine einer Wurzel nahen Americana, in der genau so viel Bluegrass steckt wie Gospel, Intimität wie Leidenschaft, Liebe wie Genie. Dass Rawlings als nahezu gleichberechtigter Schöpfer dieser Meisterwerke – die meisten Songs sind Rawlings/Welch-Kompositionen – nun auch via eigener Veröffentlichungen aus dem Schatten treten will, ist also nachvollziehbar. „Poor David’s Almanack“(Acony Records/ H’art ) ist bereits sein dritter Schritt auf Albumlänge in diese Richtung. Und erneut ein ganz beeindruckender – gleichwohl nicht sehr weit entfernt von den Kollaborationen mit seiner tatsächlich etwas „besseren Hälfte“.
Spätestens beim Blick ins Booklet wird der akustische Verdacht bestätigt: Miss Welch tut hier kräftig mit an diversem Instrumentarium, mit ihrer süß-herben Stimme sowie als Songschreiberin. Was man auch von den gemeinsamen Werken der Vergangenheit kennt, lässt sich auch hier unschwer ausmachen: Alle zehn Eigenkompositionen klingen wie aus dem „American Songbook“entnommen, atmen Tradition und Weite, sind von Folk und Country gleichermaßen durchdrungen und klingen durchweg wie aus der Zeit gefallen, filigran und rustikal, Harmonie selig und schrägcharmant zugleich – sprich: herrlich nostalgieselig. Ein entschuldigender Satz im Booklet („an traditionelle Songs und Geschichten angelehnt“) nimmt spitzfindigen Nörglern den Wind aus den Segeln.
Komplett aus der Zeit gefallen war stets auch jedes Lebenszeichen von Mark Olson. Die meisten schätzen ihn ja als kongenialen Partner von Gary Louris bei den legendären Jayhawks. Zu Unrecht fand sein zweites Standbein – gestartet als The Original Harmony Ridge Creekdippers, später nur noch Creekdippers, mittlerweile unter seinem eigenen Namen – weit weniger Beachtung. Dabei suchten diese herzensguten Alben mit ihrer einzigartigen Wärme und unerschütterlich großen Musikalität im Getöse des Musik-Biz stets ihresgleichen. „Spokeswoman Of The Bright Sun“(Glitterhouse/Indigo ) macht da keine Ausnahme. Man höre nur „Time Of Love“mit einem sich melodisch so delikat entfalteten Refrain, dass einem augenblicklich das Herz aufgeht. Und der Rest hält locker mit. Wie bei Rawlings/Welch gibt es auch hier offenkundig jene innige Mann/Frau-Vertrautheit, welche Liedgut dieser Kategorie erst zu ermöglichen scheint.
Früher hatte Olson ja mit Victoria Williams eine fantastische Partnerin an seiner Seite, nun ist es Ingunn Ringvold, die mit ihm wunderbar mitschwingt, um das zauberhafte Repertoire ganz unmittelbar ins Hörer-Ohr zu singen, zu träufeln, zu zupfen, zu streichen und zu pluckern.