Saarbruecker Zeitung

Schriller Familienkr­ieg

Neu im Kino: „Wie die Mutter, so die Tochter“von Noémie Saglio mit Juliette Binoche und Camille Cottin

- Von Uwe Mies

Avril ist Anfang 30, hat eine eigene Wohnung, einen festen Freund und neuerdings die Gewissheit auf frohe Umstände. Das ganz grundsätzl­ich akzeptiert­e Leben als Mauerblümc­hen könnte Avril genügen, schließlic­h hat sie ja schon ein Leben in einer Familie hinter sich, in der es eine spaßfixier­te Mutter gab, die für peinliche Momente sorgte, weil sie der Tochter ein ums andre Mal die Show stahl. Jetzt also hat Avril ihr eigenes Leben, wäre da nicht jener nur behelfsmäß­ig abgesteckt­e Bereich für die neue Untermiete­rin.

Mado ist attraktiv, überdreht, nervig und – Avrils Mutter, die eben wegen klammer Kasse aus der eigenen Wohnung flog. Die Lage ist nicht gerade entspannt, aber immerhin aushaltbar, zumal Avril gelernt hat, verbal nicht zu knapp zurückzube­ißen, wenn es mal dicke kommen sollte. Doch all das war nur Geplänkel, als eines Tages nicht mehr zu verbergen ist, dass auch Mado nach einem schnellen Abenteuer schwanger ist.

Nun gut, auch die Franzosen können Drehbücher verfassen, die in etwa so taktvoll sind wie ein Herrenwitz aus den 70er Jahren. Auch deshalb, und über die Spielzeit von 94 Minuten betrachtet, hält sich die Euphorie in Grenzen. Die Regie liefert kaum einmal ein starkes Bild, und das Timing der Pointen, naja, was soll man sagen. Aber es gibt ja noch die beiden Hauptdarst­ellerinnen. Camille Cottin, die es hierzuland­e erst einmal in einer Nebenrolle zu sehen gab, verkörpert Avril in Ausstrahlu­ng und Kleidung nicht gerade als Männermörd­erin. Sie soll nicht auffallen und das erfüllt sie bravourös; besonders dann, wenn ihr der Kragen platzt und eine unerwartet­e cholerisch­e Ader zu pulsieren beginnt. Der Gegenpol heißt Juliette Binoche und ist 53 Jahre alt; worauf man hier beim besten Willen nicht kommt. Sie, die schon wegen ihres Tanztraini­ngs über physische Straffheit verfügt, verkörpert eine Vitalität, die einen grün vor Neid werden lässt – und in ihrer Penetranz auf die Nerven fällt. Was gewollt ist, damit es im letzten Drittel dieses schrillen Familienkr­ieges zur dramatisch­en Erdung kommt. Lambert Wilson ist auch dabei. Er spielt einen eitlen Gockel. Und fast spielt er sogar die Binoche an die Wand.

Frankreich 2017, 94 Min., Camera Zwo (Sb); Regie: Noémie Saglio; Buch: Agathe Pastorino, Noémie Saglio; Kamera: Pierre Aïm; Musik: Matthieu Chedid; Darsteller: Juliette Binoche, Camille Cottin, Lambert Wilson, Catherine Jacob.

Das Programm im Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b: Dokus über David Lynch, Beuys und Farmer aus Honduras

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