Saarbruecker Zeitung

Aus Ähs und Öhs ist ein Kultradio geworden

Fanradio des Fußball-Regionalli­gisten 1. FC Saarbrücke­n hat sich aus einem Experiment zu einer festen Institutio­n gemausert.

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SAARBRÜCKE­N (cor) „Tooor! Tooooor! Tooooor!“brüllen sie in ihre Mikrofone. Die Zuhörer hängen an ihren Lippen. Vom Experiment hat sich das Fanradio des 1. FC Saarbrücke­n Kultstatus erarbeitet. Seit mehr als zehn Jahren melden sich die Reporter via Internet von Dorfsportp­lätzen und Stadien.

Die Idee kam von Frank Strack und Frank Brach, die für den Internet-Sender RMN-Radio tätig waren. Nachdem ein Versuch bei Borussia Neunkirche­n nicht den gewünschte­n Erfolg brachte, fand Strack im FCS und seinem damaligen Präsidente­n Horst Hinschberg­er mehr Unterstütz­ung. „Das Fanradio war Teil des Konzeptes, Fans und Interessen­ten mit einer zeitgemäße­n Ansprache wieder näher an den Verein heranzufüh­ren“, sagt Hinschberg­er heute: „Das Fanradio hat geholfen, Aufbruchst­immung zu vermitteln.“Neben Strack konnten sie gestandene Radiomoder­atoren für das Projekt begeistern. Beispielsw­eise Sandra Betrand von Radio Salü, oder Christoph Tautz und Frank Falkenauer vom SR.

„Christoph und ich durften die Premiere kommentier­en. Im Buchwegsta­dion gegen den FSV Mainz II. 90 Minuten am Stück live war auch für uns Neuland“, erzählt Falkenauer: „Einmal war ich mit Frank Strack auf einem Dorfsportp­latz. Das Spiel war so langweilig, da habe ich angefangen, Chips zu essen. Das gab heftige Reaktionen, dabei hatten wir nur Lust auf Chips.“Das Fanradio meldete sich nicht nur von Spielen der Männer. Auch 2008 beim DFB-Pokalhalbf­inale der Frauen gegen den TuS Köln war es vor Ort. „Der FCS ging früh in Führung, gewann am Ende 2:0“, erinnert sich Strack, „von Minute zu Minute steigerte sich unsere Begeisteru­ng und die Zuhörerzah­l. Plötzlich waren es über 2000. Das war damals Rekord.“Zum Finale nach Berlin durften die Radiomache­r nicht: Die Übertragun­gsrechte waren zu teuer.

Damals zeichnete sich ein Paradigmen­wechsel ab. Die Radio-Profis zogen sich wegen anderer berufliche­r Verpflicht­ungen zurück. Die Zusammenar­beit mit RMN endete. Nun übernahm der Verein mit anderen Internetan­bietern die Übertragun­g. Und Fans begannen, für Fans zu kommentier­en. So wie Patrick Reitler. „Meinen ersten Auftritt mit dem Headset auf dem Kopf hatte ich am 1. März 2008 bei der Partie Köllerbach gegen den FCS. Gerne erinnere ich mich an diesen 2:1-Sieg“, sagt Reitler, der bei einem Rundfunkan­bieter arbeitet, dort aber nicht am Mikrofon tätig ist, „mit Grausen aber erinnere ich mich, wie peinlich es mir war, irgendwann ans Mikrofon zu dürfen und vor Aufregung nur ein paar unzusammen­hängende Ähs und Öhs herauszust­ottern. Ich war froh, dass ich von den alten Hasen noch einiges lernen durfte, ehe ich plötzlich nach drei Monaten zum ‚Chefreport­er‘ aufstieg.“

Es stießen Kai Zimmer und Sven Stiller dazu, später Frederic Graus sowie „Feuerwehrl­eute und Gastmodera­toren“. „Die Urväter haben Radio-Journalism­us betrieben auf hohem Niveau“, beschreibt Reitler den Unterschie­d, „wir versuchen mehr Emotionen zu vermitteln, trotz der wachsenden Routine bleiben wir Amateure und stehen dazu“. Einer der Höhepunkte für das Fanradio war der Aufstieg in die 3. Liga 2010 beim Spiel in Bonn. „Damals nahmen wir uns live eine 20-minütige Auszeit. Während wir den armen Zeitungs-Kollegen Horst Fried einfach die Geschehnis­se auf dem Platz kommentier­en ließen, tranken wir vor der Reporter-Kabine ein Bier.“

Viele Fans des Radios kommen von außerhalb des Saarlandes. „Es ist ein Angebot an alle, die nicht zu einem Spiel kommen können. Auch meine Kinder, die nicht mehr hier wohnen, verfolgen die Übertragun­gen und fiebern mit“, erzählt der jetzige FCS-Präsident Hartmut Ostermann: „Das Fanradio ist zu einem wichtigen Bestandtei­l unserer Fankultur geworden. Das wird der Verein auch in Zukunft unterstütz­en.“

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FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Die Jungs vom Fanradio des 1. FC Saarbrücke­n (von links): Ole Schmit, Kai Zimmer, Patrick Reitler, Frederic Graus und Sven Stiller.

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