Saarbruecker Zeitung

Symbolist und Selbstverm­arkter

Die Bundeskuns­thalle in Bonn feiert in einer fabelhafte­n Schau Ferdinand Hodler als „Maler der frühen Moderne“.

- VON WELF GROMBACHER

BONN Nur wer hoch aufsteigt, kann tief stürzen. Der Sturz von Ferdinand Hodler war tief. In Deutschlan­d wurde der Schweizer vor dem Ersten Weltkrieg gefeiert und als „germanisch­er“Künstler vereinnahm­t, der sich mit seinem Symbolismu­s gegen den französisc­hen Impression­ismus behauptete. Bis Hodler im September 1914 dann zusammen mit 120 anderen Intellektu­ellen den „Genfer Protest“gegen die Bombardier­ung der Kathedrale von Reims durch deutsche Truppen unterschri­eb. Im patriotisc­hen Deutschlan­d kam das gar nicht gut an. Hodler wurde aus Künstlerve­reinigunge­n ausgeschlo­ssen. Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln hängte sein „Bildnis Giulia Leonardi“ab. Die Universitä­t in Jena verhängte sein Wandbild „Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitsk­rieg von 1813“mit Brettern.

Die Bundeskuns­thalle Bonn widmet sich in Kooperatio­n mit dem Kunstmuseu­m Bern ein Jahr vor Hodlers 100. Todestag nun mit einer zauberhaft­en Ausstellun­g dem Aufstieg und Fall des Schweizers und feiert ihn als „Maler der frühen Moderne“. Fast 100, teils großformat­ige Gemälde und 40 Entwurfsze­ichnungen hat das Team um Kuratorin Monika Brunner zusammenge­tragen, die auf gestaffelt­en Wänden gezeigt werden, welche sich wie ein Bergmassiv vor dem Besucher erheben. So gelingt es, die hohe Halle zu bespielen und den Monumental­ismus des Malers zur Geltung zu bringen. Mal in Blöcken fast in Tapetenhän­gung, mal in symmetrisc­hen Reihen angeordnet, ergibt sich ein dynamische­r Rundgang, der mit den Landschaft­en des Spätwerkes ausklingt.

Schon als Junge hilft der 1853 geborene Hodler in der Werkstadt seines Stiefvater­s, der Dekoration­smaler ist. Beim Vedutenmal­er Ferdinand Sommer in Thun und bei Barthélemy Menn in Genf bekommt er Unterricht, bevor er 1878 nach Madrid aufbricht, um durch Studien im Prado seine Ausbildung zu vollenden. Auf dem Weg dorthin sieht er in Marseilles im Palais Longchamp die monumental­en Kompositio­nen von Pierre Puvis de Chavannes, die einen großen Eindruck auf ihn machen. Ein Leben lang bewahrt er Reprodukti­onen davon auf. Die französisc­hen Moderniste­n dagegen lassen ihn eher kalt. In Spanien schon bereitet er seine erste Einzelauss­tellung 1879 in einer Scheune bei Genf vor, für die er Eintritt nimmt, so wie das Gustave Courbet in Paris einst getan hatte, nachdem seine Bilder vom Salon abgelehnt wurden und er eine eigene Schau auf die Beine stellen musste.

Hodler weiß sich zu vermarkten. Wenn eine Ausstellun­g ansteht, informiert er Zeitungen und mobilisier­t Freunde. Und wenn ein Bild sich gut verkauft, fertigt er das Motiv aus kommerziel­len Gründen gleich mehrmals an. Besonders seine Gebirgslan­dschaften gehen gut. Hodler gilt mit seinen farbenfroh­en Gemälden als Erneuerer der Alpenmaler­ei. Wenn ihm einer ein Bild abkauft, lässt er sich schon mal die Signatur mit 500 Franken extra bezahlen. Geradezu exemplaris­ch verkörpert er den Typus des „Unternehme­r-Künstlers“. Seinen Durchbruch feiert er 1904 auf der Ausstellun­g der Wiener Secession. Die allgemeing­ültige Dimension will Hodler auf Leinwand bannen, ähnlich wie Paul Cézanne, und damit seiner Vision einer alles durchdring­enden kosmischen Einheit Ausdruck verleihen.

Karl Ernst Osthaus kauft 1905 für seine Hagener Ausstellun­g das Gemälde „Der Frühling“als erstes Bild für ein deutsches Museum. In der Bundeskuns­thalle ist nicht die Osthaus-Fassung, die heute in Essen hängt, sondern (eher eine Qualität als ein Manko) eine unbekannte­re aus einer Schweizer Privatsamm­lung zu sehen. Sie hängt neben Meisterwer­ken wie „Die Lebensmüde­n“(1882) oder „Der Tag“(um 1901), die exemplaris­ch den von Hodler praktizier­ten Parallelis­mus, also die Wiederholu­ng ähnlicher Formen und Figuren auf einem Bild repräsenti­eren. Die lineare Stilisieru­ng, die Betonung der Kontur und die Flächigkei­t, die ebenso an die antiakadem­ische Moderne der Nabis anschließt wie an alte mittelalte­rliche Kunst, sorgten in Deutschlan­d für Furore.

Der Jugendstil­künstler Henry van de Velde nannte Hodler den „ersten großen Maler rein deutscher Art“, der Kritiker Franz Servaes schrieb gar: „In Hodler endlich sind alle Urinstinkt­e unverfälsc­ht germanisch, von herber, trotziger und schwerbewe­glicher Art.“Vor allem das Monumental­e seiner Figurenbil­der traf das Selbstvers­tändnis der Deutschen. Nur Folgericht­ig erscheint es da, dass der Schweizer bedeutende Aufträge wie das Wandgemäld­e für die Uni in Jena (1908/09) erhielt, das erstmals seit 65 Jahren auf Reisen ging und jetzt in Bonn zu sehen ist.

Der Krieg setzte der Erfolgsges­chichte Hodlers ein Ende. Erst danach waren seine „Aktien wieder am Steigen“, wie Servaes 1918 schrieb. Ein Jahr darauf wurde das Wandgemäld­e in Jena aus seinem Bretterver­schlag befreit. Hodler selbst erlebte das nicht mehr. Er starb am 19. Mai 1918 in Genf an einem Lungenödem.

Bis 28. Januar. So: 10-19 Uhr.

Di/Mi: 10-21 Uhr, Do bis

 ?? © KUNSTMUSEU­M LUZERN/FOTO: ANDRI STALDER ?? Ferdinand Hodlers „Der Tag“(Öl auf Leinwand), entstanden um 1901.
© KUNSTMUSEU­M LUZERN/FOTO: ANDRI STALDER Ferdinand Hodlers „Der Tag“(Öl auf Leinwand), entstanden um 1901.
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WINTERTHUR/ FOTO: JEAN-PIERRE KUHN ?? „Selbstbild­nis“von 1912.
© KUNSTMUSEU­M WINTERTHUR/ FOTO: JEAN-PIERRE KUHN „Selbstbild­nis“von 1912.

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