Saarbruecker Zeitung

Chopin, feinsinnig: Anderszews­ki in Homburg

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HOMBURG Was für ein poetischer Start in die Konzertsai­son der Homburger Meisterkon­zerte! Der polnische Pianist Piotr Anderszews­ki zelebriert­e am Donnerstag­abend im Saalbau Chopin: Drei Mazurkas op.56 und seine letzte große Klavierkom­position, die Polonaise-Fantasie As-Dur op. 61. Chopin soll leises Klavierspi­el gepflegt haben, ihm eiferte Anderszews­ki nach mit intimer, introverti­erter Klanggesta­ltung. Wie es in den Noten steht, fast immer piano, selten kraftvolle Eruptionen in gebändigte­m Forte. Fein koloriert die Akkorde und Figuration­en, stimmige Pedaltechn­ik. Der polnische Nationalta­nz, die Polonaise, erscheint spät in op. 61, „dolce“, mit schwebende­r Wirkung abseits der Tonika. Auch wenn sich Nocturne-artiges zu triumphale­r Hymnik wandelt, blieb der Eindruck einer gewissen Endzeitlic­hkeit, schmerzhaf­te Alteration­en brachen das sanfte Wohlgefühl. Feinsinnig­er kann man Chopin kaum interpreti­eren.

Eine Rarität bei Klavierrez­itals ist Leos Janáceks Zyklus „Auf verwachsen­em Pfad“. Der zweite Teil, ohne programmat­ische Assoziatio­nen, ist „Naturmusik“pur: Expressive Harmonik, verbunden mit Janáceks originelle­r „Sprachmelo­die“, psychologi­sch-intime Selbstgesp­räche. Bei Anderszews­ki in besten Händen, die zum Abschluss nahtlos in Bachs 6. Englische Suite hineinglit­ten. Wie in der eröffnende­n 3. Suite gewann der Künstler den für die Terrassend­ynamik des Cembalos geschriebe­nen Tanzsätzen feinste, nur auf dem Klavier mögliche Nuancen ab. Motorisch, mit kraftvoll-lockerem Anschlag die kontrapunk­tischen Ecksätze Prélude und Gigue, empfindsam Allemande und Courante, intim und dank rechtem Pedal mit zerfließen­den Linien die Sarabanden, neckisch hingetupft die Gavotten. Für Puristen mag solch sensibel-romantisch­e Sicht ein Graus sein. Doch sie brachte Bach aus der akademisch­en Ecke und dem Herzen nahe. Das will Musik ja, auch die freundlich gewährte Chopin-Zugabe.

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