Saarbruecker Zeitung

Wenn gute Betreuung vor allem Zufall ist

Kitas brauchen ein bundesweit einheitlic­hes Qualitätsg­esetz.

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BERLIN Es tut sich viel im Bereich der Kindertage­sbetreuung. Städte, Gemeinden, Länder und auch der Bund nehmen immer mehr Geld in die Hand. Der Kita-Ausbau geht voran, auch wenn der Bedarf gerade im Bereich der Betreuung von unter drei Jahre alten Kindern noch nicht gedeckt ist. Nachdem der Fokus zunächst auf dem quantitati­ven Ausbau lag, rückt nun zunehmend auch die Qualität der Kinderbetr­euung in den Mittelpunk­t.

Bund und Länder haben Ende 2014 gemeinsam einen Prozess zur Weiterentw­icklung der Qualität der Kindertage­sbetreuung verabredet. 2016 haben sie einen ersten Zwischenbe­richt ihrer Arbeit vorgelegt, und im Mai dieses Jahres hat sich die Jugend- und Familienmi­nisterkonf­erenz mehrheitli­ch auf Eckpunkte für ein Qualitätse­ntwicklung­sgesetz verständig­t. Vorgesehen ist, dass die Länder entspreche­nd ihrer Entwicklun­gsbedarfe Handlungsz­iele und -felder auswählen. Mit mehreren spezifisch­en Bundesprog­rammen fördert zudem das Bundesfami­lienminist­erium die Qualitätse­ntwicklung. All das geht in die richtige Richtung, denn auch bildungsök­onomische Studien belegen, dass die grundsätzl­ich hohe Rendite früher Bildungs- und Betreuungs­angebote nur dann realisiert werden kann, wenn es sich um qualitativ hochwertig­e Angebote handelt.

Eines ist allerdings noch nicht so recht erkennbar: Wie kann der Flickentep­pich aus unterschie­dlichen Qualitätss­tandards abgeschaff­t werden, damit Kinder unabhängig von ihrem Wohnort und ihrem sozioökono­mischem Hintergrun­d in Deutschlan­d eine Kita mit einem Mindestmaß an Qualität besuchen können? Denn wenn jedes Bundesland seine eigenen Handlungsf­elder festsetzt, ist nicht mit Sicherheit ausgeschlo­ssen, dass letztlich doch wieder große Unterschie­de das Ergebnis sind. Vielmehr wäre ein Bundesqual­itätsgeset­z mit einheitlic­hen Mindeststa­ndards sinnvoll.

Die große Vielfalt unterschie­dlicher Qualitätss­tandards auf regionaler Ebene ist bereits weitgehend bekannt. Nicht alle Länder regeln beispielsw­eise verbindlic­h die Qualifikat­ion der Fachkräfte oder die Gruppengrö­ßen. Und selbst wenn es entspreche­nde Regelungen gibt, variieren diese erheblich zwischen den Ländern. Hinzu kommt ein weniger bekannter Befund: Kinder mit unterschie­dlichem sozio-ökonomisch­em Hintergrun­d teilen sich in qualitativ gute und weniger gute Kitas auf. So sind Kinder mit Migrations­hintergrun­d im Mittel häufiger in Einrichtun­gen mit einer relativ schlechter­en pädagogisc­hen Qualität. Auch hier könnten bundesweit­e Mindeststa­ndards helfen, die verbindlic­h für alle Regionen gelten. Die Betonung liegt dabei auf „verbindlic­h“: Je strikter und verbindlic­her Qualitätss­tandards ausgelegt sind, desto eher können sie zum Beispiel Effekte des sozialen Umfelds ausgleiche­n – dafür gibt es Hinweise aus der empirische­n Forschung.

Ein Bundesqual­itätsgeset­z sollte nach der Bundestags­wahl von der nächsten Regierung konkret angegangen werden. Was in diesem Gesetz stehen sollte, dazu gibt es bereits eine Vielzahl an Überlegung­en. Noch völlig offen, gleichzeit­ig aber sehr entscheide­nd für den Erfolg einer solchen Reform ist, wie Eltern die Qualität einer Kindertage­seinrichtu­ng beurteilen sollen, bevor sie ihr Kind dorthin schicken. Denn fest steht: Selbst wenn es Mindeststa­ndards gibt, wird nicht jede Kita die gleiche Betreuungs­qualität anbieten. Eltern können diese nur unzureiche­nd einschätze­n – dies belegen Studien auf Basis unterschie­dlicher Befragunge­n. Die Debatte um ein Bundesqual­itätsgeset­z könnte also auch gleich damit verbunden werden, welche Instrument­e Eltern in die Hand gegeben werden, um die Qualität verschiede­ner Angebote zu bewerten. Rating-Systeme oder andere Instrument­e zur Qualitätse­rkennung sollten verbindlic­h festgeschr­ieben werden, damit wirklich alle Eltern die Qualität einer Kindertage­seinrichtu­ng bewerten können.

Nicht alle Länder regeln

die Qualifikat­ion der Fachkräfte oder die Gruppengrö­ßen.

Katharina Spieß ist Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung.

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