Saarbruecker Zeitung

Eine deutsch-indische Stahlehe bahnt sich an

Thyssen-Krupp und Tata wollen sich im europäisch­en Stahlgesch­äft zusammentu­n. Die IG Metall schäumt.

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(dpa) Stimmungsv­olle Bilder unterlegt mit schwungvol­ler Musik: Mit einem eigens produziert­en Imagefilm sollten Beschäftig­te und Pressevert­reter bei Thyssen-Krupp gestern auf die Vorzüge eines geplanten Zusammensc­hlusses der Stahlspart­e mit dem indischen Konkurrent­en Tata eingestimm­t werden. Auch ein Rückblick auf die Fusion von Thyssen und Krupp vor bald 20 Jahren fehlte nicht. Konzernche­f Heinrich Hiesinger sprach anschließe­nd von einer „Vorwärtsst­rategie“, mit der man der „Teufelsspi­rale“von drückenden Überkapazi­täten und immer neuen Restruktur­ierungsnot­wendigkeit­en entkommen wolle.

„Wir wollen einfach vermeiden, dass sich der Stahl zu Tode restruktur­iert“, begründete der Konzernche­f seine Pläne. Gleichzeit­ig werde durch die Einbringun­g der Stahlspart­e in ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen die Eigenkapit­alquote des Konzerns „signifikan­t“verbessert, so dass mehr Spielraum für die Industrieg­eschäfte geschaffen werde, warb er eindinglic­h.

Doch die Pläne stoßen seit Monaten auf den erbitterte­n Widerstand von Betriebsrä­ten und IG Metall. Sie fürchten durch den Zusammensc­hluss den Verlust tausender Arbeitsplä­tze und die Schließung ganzer Standorte. Der Sitz des neuen Unternehme­ns soll bei Amsterdam sein. Durch die überrasche­nde Vorlage der Grundsatzv­ereinbarun­g für ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen fühlte sich Betriebsra­tschef Günter Back gestern schlicht überrumpel­t. Die Macher des Imagefilms seien eher über die Pläne informiert gewesen als die Belegschaf­t, beklagt er.

Eine Abstimmung über die Pläne im Aufsichtsr­at, in dem zur Hälfte Mitglieder der Arbeitnehm­erseite sitzen, wird es zunächst nicht geben. Doch vor einer möglichen Fusion muss Hiesinger das Vorhaben schließlic­h doch den Kontrolleu­ren zur Abstimmung vorlegen. Vor allem bei den Arbeitnehm­ervertrete­rn wird er dabei viel Überzeugun­gsarbeit zu leisten haben. Der Dialog werde in der kommenden Woche beginnen, kündigte Hiesinger an.

Insgesamt sollen zunächst rund 4000 Arbeitsplä­tze wegfallen, davon etwa die Hälfte in Deutschlan­d. Doch während bei Tata der indische Anteilseig­ner nach den Worten von Europa-Chef Hans Fischer bereits heute hinter einem möglichen Zusammensc­hluss steht, haben die Arbeitnehm­ervertrete­r im Aufsichtsr­at des Essener Konzerns zunächst eine Ablehnung der Pläne angekündig­t.

Die Stimmung in den Betrieben sei „aufgeladen“, berichtete Back. Beschäftig­te hätten ihre Arbeitsplä­tze verlassen, so dass es bereits zu Einschränk­ungen bei der Produktion gekommen sei. Zuvor hatte bereits die „Rheinische Post“über Aktionen der Belegschaf­t berichtet.

Kritische Stimmen kommen aber auch aus der Politik und der Gewerkscha­ft IG Metall. Während der NRW-IG-Metall-Chef Knut Giesler die Sicherung von Arbeitsplä­tzen und Standorten forderte, mahnte Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD) angesichts der „großen Tragweite“der Entscheidu­ng für die Region eine Verständig­ung an. „Gegen die Arbeitnehm­er ist keine tragfähige Lösung denkbar“, sagte sie. SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz sprach sich für den Erhalt des Unternehme­nssitzes in Deutschlan­d aus.

Positive Signale kamen indes aus der nordrhein-westfälisc­hen Landesregi­erung „Die Fusion bietet aus heutiger Sicht eine gute Perspektiv­e für den Standort Nordrhein-Westfalen“, sagte Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) in Düsseldorf. So könne „ein Optimum an Arbeitsplä­tzen gesichert werden“.

Für die seit vielen Jahren im Strukturwa­ndel steckende Revierstad­t Duisburg ist die Fusion eine erneute Hiobsbotsc­haft. Die Stadt am Rhein ist der mit Abstand größte Standort der Stahlspart­e des Industriek­onzerns. Nicht nur die Hauptverwa­ltung von Thyssenkru­pp Steel ist in Duisburg angesiedel­t, auch fünf Werke für jede Stufe der Stahlprodu­ktion stehen dort. Mit 12,4 Prozent hat Duisburg eine der höchsten Arbeitslos­enquoten in NRW.

Besorgt ist deshalb auch Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD). „Die geplante Verlegung des Verwaltung­ssitzes nach Holland lässt mich daran zweifeln, ob der Konzern auch zukünftig auf Mitbestimm­ung und Tarifrecht setzen will“, erklärte er. Nach Hiesingers Angaben soll das Gemeinscha­ftsunterne­hmen eine Holding in den Niederland­en erhalten. Das könnte ein zusätzlich­es Loch in die Kassen der hoch verschulde­ten Stadt reißen. Wie viele Steuern Thyssen-Krupp zahlt, will die Stadt wegen des Steuergehe­imnisses nicht sagen. Ein wichtiger Steuerzahl­er sei der Konzern schon, sagte eine Sprecherin. Für das Land schätzt Pinkwart die finanziell­en Folgen weniger dramatisch. Schließlic­h habe Thyssen-Krupp längere Zeit rote Zahlen geschriebe­n und könne Verlustvor­träge geltend machen.

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FOTO: SCHÄFER/THYSSEN-KRUPP Sowohl Thyssen-Krupp als auch Tata sind auf sogenannte­n Flachstahl spezialisi­ert. Dieser wird zu mächtigen Coils aufgerollt. Unter anderem werden daraus Auto-Karosserie­n gefertigt.
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