Dunkler Pop am Ende der Welt
Ist es sein vierter, fünfter oder gar sechster Frühling? Neues vom britischen ElektronikVeteranen Gary Numan.
Premierministerin Margaret Thatcher übelnimmt.
Numan, der Popstar mit Pilotenschein und vielpublizierter Haartransplantation, widmet sich erst einmal einem Flug um die Welt im eigenen Zweisitzer (in Indien wird er unter Spionageverdacht verhaftet). Als seine Plattenverkäufe in den 80ern einbrechen, geht er doch wieder auf Tournee – aber der Superstar-Ruhm ist dahin, die kommenden Jahre werden mager. Sein eigenes Plattenlabel landet im Bankrott, die Schulden türmen sich, und Numan tut alles, um den Anschluss nicht zu verlieren – er versucht sich an leichtgewichtigem Pop, mischt seine Elektronik mit Funk und Rock, aber nichts hilft und letztlich ist keine Plattenfirma mehr interessiert. Wirklich erfolgreich ist er nur als Nebenbei-Kunstpilot bei britischen Flugveranstaltungen.
Aufwärts geht es erst, als Numan alle Hoffnung auf kommerziellen Erfolg aufgibt und alleine im heimischen Ministudio an dunklem Elektropop werkelt: an dem, was er kann. Der große Ruhm kommt nicht zurück, aber Numan findet eine Nische, in der es sich leben lässt. Heute wohnt der 59-Jährige mit Frau und drei Töchtern in Los Angeles und geht regelmäßig auf Tournee: Mal mit den Hit-Alben von einst, mal mit neuer Musik.
„Savage (Songs of a broken world)“heißt nun das neue Album, laut Numan ein Konzeptalbum über die Welt nach dem Klimakollaps – textlich löst das Album das nicht ganz ein. Es bleibt vage, zumal bei Numan seit so manchen CDs die Welt untergeht, während sich im Hintergrund ein ungnädiger Gott ins Fäustchen lacht. (Warum der erklärte Atheist Numan so oft von Gott singt, wissen die, nunja, Götter).
Typische Songtitel wie „Broken“, „Bed of Thorns“oder „When the world comes apart“geben die Stimmung vor – mehr Moll geht kaum. Aber Numan und sein findiger Produzent Ade Fenton setzen diese Kompositionen des kollektiven Kollaps’ schlüssig und reizvoll in Szene: mit düster dröhnenden Synthesizern, tuckernden Rhythmusmaschinen, wuchtigen Donner-Gitarren und immer wieder überraschend eingängigen Refrains – so melodisch war der Weltuntergang bei Numan lange nicht. Auffällig sind viele orientalisch anmutenden Kompositionen; vor allem die erste Single „My name is ruin“, bei der Numan seine elfjährige Tochter als Sängerin eingeladen hat, weil sie die verschlungene Melodie besser trifft als er. Wirklich Neues bietet Numan nicht – aber so souverän war sein Händchen für dunkle Pop-Schönheit inmitten der großen Krise lange nicht.
(BMG). Live: 25. 10. Köln, 26. 10 Berlin.