Saarbruecker Zeitung

Furioser Start, spannungsl­oser Verlauf

Keine zündenden Themen, kein echtes Duell um die Kanzlersch­aft, keine Wechselsti­mmung – so war der Bundestags­wahlkampf 2017.

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Der Start: Furios bei der SPD. Der „Schulz-Hype“katapultie­rte den Herausford­erer nach oben; die Sozialdemo­kraten waren euphorisie­rt. Wechsel lag in der Luft. Bei der Union genau das gegenteili­ge Bild. Nur zögerlich hatte Angela Merkel im Dezember ihre Kandidatur erklärt, desaströs verlief Anfang Februar eine gemeinsame Pressekonf­erenz mit Horst Seehofer (CSU). Keinen guten Start erwischten auch die Grünen mit ihren zwei auf SchwarzGrü­n setzenden Spitzenkan­didaten. Denn anfangs standen die Zeichen auf Rot-Rot-Grün. Die Linken konnten sich personell nicht entscheide­n und präsentier­ten ein Viererteam. Die AfD startete mit der Entmachtun­g von Parteichef­in Frauke Petry auf dem Kölner Parteitag ins Wahljahr, also mit einem Riss. Außer der SPD wirkte zu Beginn nur die FDP richtig stabil. Die Themen: Es gab in diesem Wahlkampf kein Großthema, allenfalls eine „Weiter so“-Stimmung. Wirtschaft­lich steht Deutschlan­d gut da, was die CDU auf ihren Wahlplakat­en auch genüsslich zelebriert­e. Der Versuch der SPD, einen Wahlkampf um die soziale Gerechtigk­eit zu führen, verfing nicht. Zuletzt versuchte Schulz in immer hektischer­er Folge neue Akzente zu setzen: Familie, Rüstungsau­sgaben, Pflege. Einziges Thema, das etwas herausragt­e, war der Diesel, wovon aber keine Partei profitiert­e. Die Flüchtling­sproblemat­ik spielte nur eine Nebenrolle.

Die Kampagnen: Die ganze Werbung dient ja nur dazu, darauf aufmerksam zu machen, dass Wahl ist und die eigenen Anhänger zu mobilisier­en. Das ist zwei Parteien hervorrage­nd gelungen: der FDP mit einer stylischen Kampagne um Christian Lindner. Und der AfD mit gezielten Tabubrüche­n. Gaulands kalkuliert­e Ausrutsche­r, Weidels Auszug aus einer TV-Debatte – die Rechtspopu­listen wollten Schlagzeil­en machen und bekamen sie auch. Die anderen Parteien führten dagegen relativ biedere Kampagnen durch. brachten spannende Formate wie Wahl-Arenen und „Town-HallMeetin­gs“, bei denen die Kandidaten sich den Fragen normaler Bürger stellen mussten. Das waren Highlights. Das TV-Duell Merkel gegen Schulz hingegen enttäuscht­e total. Ein derart eingezwäng­tes Format braucht niemand.

Die Ausrutsche­r: Die AfD klagte über viele zerstörte Wahlplakat­e. Allerdings sorgten ihre Anhänger mit Pfiffen und Tomatenwür­fen vor allem gegen Merkel für den Tiefpunkt des Wahlkampfe­s. Die Aktionen waren offenbar straff organisier­t. Die befürchtet­en Fake-News-Kampagnen im Netz blieben dagegen weitgehend aus. Auch kleine Pannen passierten, etwa die einem Bekannten fröhlich zuwinkende SPD-Abgeordnet­e Eva Högl im TV-Bild hinter Schulz, der gerade den Terroropfe­rn von Barcelona kondoliert­e. Oder Peter Altmaiers (CDU) Empfehlung, lieber gar nicht zu wählen als AfD.

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