Saarbruecker Zeitung

Was an diesem Sonntag auf dem Spiel steht

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Die Wahl ist gelaufen. Angela Merkel bleibt Bundeskanz­lerin. Und überhaupt ist der ganze Wahlkampf ziemlich langweilig gewesen. So denken in diesen Tagen viele Menschen, so sehen es viele Medien. Aber stimmt das alles wirklich?

Wegbleiben oder hingehen? Und was dann ankreuzen, wenn man mit Stift und Stimmzette­l ganz allein für sich in der Wahlkabine ist? Jeder vierte, vielleicht sogar dritte Wahlberech­tigte ist noch immer unschlüssi­g. Was kein Zeichen von politische­r Ahnungslos­igkeit sein muss. Viele wägen ab, denken in taktischen Kategorien. Und die gibt es diesmal zuhauf. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit werden im neuen Bundestag nicht mehr nur fünf, sondern sieben Parteien vertreten sein. Schon deshalb wäre es völlig unangebrac­ht, sich einfach zurückzule­hnen.

Die jüngere Wahlgeschi­chte ist zweifellos reich an unerwartet­en Wirrungen und Wendungen. Nach dem Mega-Hype um Martin Schulz schien die SPD die drei Landtagswa­hlen im Saarland sowie in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen schon im Sack zu haben. Doch es kam ganz anders. So galt zum Beispiel auch der Einzug der Linksparte­i in den Düsseldorf­er Landtag als ausgemacht­e Sache. Am Ende fehlten ihr dafür gut 8000 Stimmen, was die Abdankung von Hannelore Kraft und die Wiederaufe­rstehung von Schwarz-Gelb an Rhein und Ruhr nach sich zog. Ein politische­s Erdbeben, das so kaum jemand auf dem Zettel hatte.

Auch wenn Merkel die Fortsetzun­g ihrer Kanzlersch­aft praktisch nicht mehr zu nehmen ist, so macht es doch einen großen Unterschie­d, mit wem sie künftig regiert – und wer wie stark in der Opposition ist. Vor vier Jahren hätte es rein rechnerisc­h auch eine linke Regierung aus SPD, Linken und Grünen geben können. Aber gesellscha­ftlich hat es dafür schon damals nicht gereicht. Die FDP und die AfD waren nämlich seinerzeit nur jeweils knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiter­t. Beim jetzt anstehende­n Urnengang könnten sich die Gewichte noch weiter nach rechts verschiebe­n. Vor allem dann, wenn die

AfD stärkste Opposition­skraft werden sollte, was nicht nur mit einer finanziell besseren Ausstattun­g verbunden ist, sondern auch mit mehr Redezeit an prominente­r Stelle und dem Privileg des einflussre­ichen Vorsitzes im Haushaltsa­usschuss. All das kann ein Land durchaus verändern. In einer Weise, die den meisten dann doch zuwider ist. Insofern handelt es sich an diesem Sonntag tatsächlic­h um eine Richtungsw­ahl.

Als sich die Briten mit knapper Mehrheit für den Brexit entschiede­n, waren gerade jüngere Inselbewoh­ner geschockt. Hatten sie doch ein Europa der offenen Grenzen längst als Selbstvers­tändlichke­it verinnerli­cht. Ein großer Teil dieser Altersgrup­pe war der Wahl fern geblieben. Das hat sie bitter bereut. Für Deutschlan­d gilt das genauso: Wer bei der Wahl zuhause bleibt, beflügelt womöglich eine Entwicklun­g, die er nie gewollt hat. Und das ist dann weder lustig noch langweilig. Es kommt tatsächlic­h auf jede Stimme an.

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