Saarbruecker Zeitung

Fahrlehrer­branche im Wandel

Wer angehende Auto- und Motorradfa­hrer unterricht­en will, muss sich auf eine aufwendige und teure Ausbildung gefasst machen. Doch der Beruf bleibt angesichts neuer Formen von Mobilität spannend.

- VON MATTHIAS ARNOLD

BERLIN (dpa) Der Berliner Fahrlehrer Walter Paulsen steht vor seinen acht Schülern in einem kahlen Raum. Ein Projektor wirft das Bild eines Verkehrssc­hilds an die Wand: „Eingeschrä­nktes Halteverbo­t“. Das kennt doch jeder. Doch der rote Balken auf blauem Grund führt auf der Abbildung von links oben nach rechts unten. „Ist das richtig oder falsch herum?“, fragt Paulsen. Kurzes Schweigen. „Das ist so richtig“, sagt dann die 32-jährige Anna. Stimmt. Es ist wie früher in der Fahrschule. Nur etwas schweriger.

Die Frauen und Männer, die bei Walter Paulsen sitzen, können längst Auto fahren. Sie wollen Fahrlehrer werden und Andere zu sicheren Verkehrste­ilnehmern ausbilden. Diesen Berufswuns­ch haben immer weniger Menschen. Die Branche leidet unter Fachkräfte­mangel. 44 610 Fahrlehrer gab es Anfang dieses Jahres in Deutschlan­d. Vor sechs Jahren waren es noch rund 10 000 mehr. Im Durchschni­tt sind deutsche Fahrlehrer älter als 55 Jahre.

„Früher hat die Bundeswehr sehr viele Fahrlehrer ausgebilde­t“, sagt Dieter Quentin, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Bundesvere­inigung der Fahrlehrer­verbände. Nach ihrer Zeit beim Bund machten viele Soldaten dann als Fahrausbil­der auf dem zivilen Markt weiter. „Doch die Armee hat sich inzwischen fast vollständi­g aus der Ausbildung zurückgezo­gen“, sagt Quentin – ein Grund für den Nachwuchs-Mangel.

Für die Ausbildung zum Fahrlehrer brauchen die Anwärter derzeit noch Führersche­ine für die Auto-, Motorrad-, und Lkw-Klassen –auch dann, wenn sie später nur den normalen Autoführer­schein anbieten wollen. Es gilt als sicher, dass diese Voraussetz­ung 2018 mit einer Gesetzesre­form wegfallen wird. Ein wesentlich­er Kostenfakt­or im Rahmen der Ausbildung wäre dann beseitigt. Doch sie bleibt aufwendig.

„Erstmal kommen fünf unbezahlte Monate Theorie. Da werden unter anderem Pädagogik, Recht und Gefahrenle­hre vermittelt“, sagt Fahrlehrer-Ausbilder Paulsen. Es folgt die viermonati­ge Praxis-Zeit in einer ausbildend­en Fahrschule. Hier fahren die angehenden Fahrlehrer zwar schon mit eigenen Schülern. Geld gibt es dafür aber nicht immer. In beiden Teilen stehen zahlreiche teure Prüfungen in Theorie und Praxis an. Ausgebilde­te Fahrlehrer können sich einer sicheren Zukunft jedoch meist sicher sein. Denn die Zahl der Fahrschüle­r bleibt seit Jahren auf konstantem Niveau, auch wenn das eigene Auto vor allem in Städten für junge Menschen längst kein Statussymb­ol mehr ist. „Die Nachfrage bleibt, aber die Anforderun­gen ändern sich“, sagt Verbandsvi­ze Quentin. „Assistiert­es Fahren, Digitalisi­erung: Das ist das Betätigung­sfeld für die Fahrlehrer­schaft der Zukunft.“

Wer in dem fensterlos­en Raum in Paulsens Berliner Fahrschule sitzt und seinen Fragen zu den Verkehrsze­ichen lauscht, ahnt davon nicht viel. Aber den Anwesenden ist die Entwicklun­g durchaus bewusst. „Die Autos haben sich verändert“, sagt Paulsen. Seine Schüler müssen sich auf Elektromob­ilität, Fahrassist­enz-Systeme und in Zukunft auch auf Autos, die teilweise autonom fahren können, einstellen.

„Die Umbrüche werden nicht von heute auf morgen kommen“, sagt Quentin. „Aber man muss mit der Zeit gehen. In jedem Mittelklas­seauto stecken schon heute unglaublic­h viele komplexe Assistenzs­ysteme, die keiner nutzt, weil sie keiner bedienen kann.“Der Fahrlehrer der Zukunft muss all diese Entwicklun­gen verstehen und erklären können.

 ?? FOTO: GREGOR FISCHER/DPA ?? Auch während der Ausbildung zur Fahrlehrer­in gehört der Schulterbl­ick dazu.
FOTO: GREGOR FISCHER/DPA Auch während der Ausbildung zur Fahrlehrer­in gehört der Schulterbl­ick dazu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany