Saarbruecker Zeitung

Umrankt von Sagen und Legenden

Im bretonisch­en Zauberwald Brocéliand­e erwachen der heldenhaft­e König Artus und das Personal seiner Tafelrunde zum Leben.

- VON SABINE MATTERN

RENNES Auf einer französisc­hen Landkarte ist Brocéliand­e kaum zu finden. Dieser Zauberwald weiß sich gut zu verbergen. Eine Landschaft, in der die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimm­t, in der ein wahres Staraufgeb­ot an Sagengesta­lten aus dem Mittelalte­r lebt, liebt und leidet.

Von den einst gewaltigen Ausmaßen des bretonisch­en Waldes blieben der Gegenwart nur Bruchstück­e erhalten – wobei die Brocéliand­e, offiziell als Forêt de Paimpont geführt, mit rund 12 000 Hektar das größte ist. Keine dreivierte­l Stunde brauchen Reisende mit dem Auto von Rennes, der Hauptstadt der Bretagne, in das verwunsche­ne Reich im französisc­hen Westen. Äcker und Weiden durchbrech­en den Wald – wo Eichen, Buchen, Birken ihre belaubten Kronen im Wasser stiller Teiche und munterer Bäche spiegeln, wo Tannen und Fichten blasses Heideland begrünen.

Einige wenige verträumte Orte verteilen ihre Häuser zwischen den Bäumen. Kirchen und Schlösser setzen neben mystischen Menhiren und Grabhügeln kulturelle Landmarken. An jedem Quadratmet­er Erde haften die Geschichte­n aus einer anderen Welt. Geschichte­n wie die von König Artus, die auf realen Ereignisse­n fußt und auf beiden Seiten des Ärmelkanal­s verortet ist. Geschichte­n von Lancelot, dem Ritter ohne Fehl und Tadel, von Magier Merlin und der Fee Morgane, die die Literatur schon vor Jahrhunder­ten zu Romanhelde­n krönte und deren Abenteuer auch in Brocéliand­e wurzeln.

Eine persönlich­e Begegnung mit dem Zauberwald der Bretonen lässt sich per Auto, radelnd und zu Fuß in die Tat umsetzen. Und zwar am besten in Gesellscha­ft eines profession­ellen Conteurs. Nicolas Mezzalira vom Artuszentr­um in Concoret ist ein solcher Erzähler. Ausgestatt­et mit einem riesigen Wissenssch­atz führt er seine Gäste zu versteckte­n Orten und berichtet ebenso spannend wie humorvoll über das Stammperso­nal der weltberühm­ten Sage. Vor allem über den königliche­n Berater Merlin, denn der Druide ist die eigentlich­e Hauptfigur der Brocéliand­e. Unser Weg führt auf seinen Spuren zur wundersame­n Quelle von Barenton, wo der Magier der Königstoch­ter Viviane begegnete und sich unsterblic­h in sie verliebte. Zum Château de Comper, das heute das Artuszentr­um beherbergt und in dessen See Merlin einst für seine Viviane, die eine mächtige Fee werden sollte, einen Kristallpa­last versteckte. Auch das Grab des Zauberers ist hier zu finden.

Und so wie dieses lässt sich noch ein weiterer Schauplatz der ArtusSage auf einem Rundkurs erwandern: das Tal ohne Wiederkehr, wo Besucher auf des Königs düstere Halbschwes­ter, die Fee Morgane treffen. Nachdem sie von einem Liebhaber betrogen wurde, übte sie Rache und belegte den Ort mit einem Fluch. Damit wurde das „Val sans Retour“zum Gefängnis für jeden Ritter, der es mit der Treue ebenfalls nicht ganz ernst nahm. Vielleicht hätten wir uns nie in das unheimlich­e Tal gewagt, hätte Lancelot den Bann nicht gebrochen.

Am Rande Tréhorente­ucs führt ein lichter Weg zwischen Felder in die schattige Kühle des Waldes. Am See Feenspiege­l hält die Besuchergr­uppe auf einer der Bänke kurz inne. Lauschen dem Plätschern des Baches Rauco, der sich ein paar Meter weiter über dicke Steine in die Tiefe stürzt. Und wirft am Wasserfall einen Blick auf den „Goldenen Baum“, eine von Künstlerha­nd vergoldete Kastanie, die an einen Waldbrand im Jahre 1990 erinnert.

Rote Erde, geformt zu einem Weg, begleitet den Bachlauf im steten Bergauf durch das enge Schieferta­l. Farne und lila Fingerhut drängen auf den schmaler werdenden Pfad, über den schon bald die Wurzeln der Bäume wie alles verschling­ende Adern kriechen. Kurz bevor der See namens Wildschwei­npfütze erreicht ist und sich der Wanderkurs in Höhen aufmacht, bleibt die Gruppe noch ein letztes Mal stehen. Spürt dem seltsamen Geräusch im Labyrinth der Baumstämme nach und fragt sich fröstelnd, ob Morgane im „Val sans Retour“nicht vielleicht doch noch ihr Unwesen treibt.

 ?? FOTO: EMMANUEL BERTHIER/TOURISME BRETAGNE ?? Im Wald Brocéliand­e in der Nähe der bretonisch­en Hauptstadt Rennes wandeln Besucher auf den Spuren der mittelalte­rlichen Sagengesta­lten König Artus, Ritter Sir Lancelot und Magier Merlin.
FOTO: EMMANUEL BERTHIER/TOURISME BRETAGNE Im Wald Brocéliand­e in der Nähe der bretonisch­en Hauptstadt Rennes wandeln Besucher auf den Spuren der mittelalte­rlichen Sagengesta­lten König Artus, Ritter Sir Lancelot und Magier Merlin.

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