Saarbruecker Zeitung

Berliner Senat beharrt auf Tegel-Schließung

Nach dem erfolgreic­hen Volksentsc­heid für den Weiterbetr­ieb macht die Opposition Druck.

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Ungeachtet des erfolgreic­hen Volksentsc­heids für eine Weiternutz­ung Tegels hält Berlins rot-rot-grüner Senat am Ziel einer Schließung des beliebten innerstädt­ischen Flughafens fest.

BERLIN (dpa/afp) Mit deutlicher Mehrheit haben die Berliner für den Weiterbetr­ieb des Flughafens Tegel gestimmt. Nach Auszählung aller Wahlbezirk­e am frühen Montagmorg­en kamen die Befürworte­r der Offenhaltu­ng amtlichen Angaben zufolge auf 56,1 Prozent der Stimmen. Der von der FDP initiierte Volksentsc­heid fordert, den Flughafen nach Eröffnung des Hauptstadt-Airports BER weiterhin zu nutzen. Wie geht es nun weiter? Der Berliner Senat wurde aufgeforde­rt, „sofort die Schließung­sabsichten aufzugeben und alle Maßnahmen einzuleite­n, die erforderli­ch sind, um den Fortbetrie­b des Flughafens Tegel als Verkehrsfl­ughafen zu sichern“. Rechtlich nicht. Berlin könne bei dem Thema gar nicht alleine entscheide­n, und die anderen Gesellscha­fter hätten die Vereinbaru­ngen nie in Frage gestellt, erklärte der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD). Keinesfall­s. Das Votum ist eine empfindlic­he Niederlage für die rot-rotgrüne Koalition, die seit gut neun Monaten am Ruder ist. Sie kann es auch deshalb nicht ignorieren, weil sie sich mehr Bürgerbete­iligung auf die Fahnen geschriebe­n hat.

Müller kündigte an, zügig auf den Bund und Brandenbur­g zuzugehen, um auszuloten, ob diese ihre Position zu Tegel überdenken wollen. Er werde „sehr schnell“Briefe an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) schreiben, sagte Müller gestern nach einem Treffen des Koalitions­ausschusse­s. Zudem hätten die Anteilseig­ner ohnehin vereinbart, nochmals juristisch­e Prüfungen vorzunehme­n. Ob sich aus diesem Prozess eine neue Sachlage für Tegel ergibt, darf aber bezweifelt werden. „Für mich ist die rechtliche Lage nach dem Volksentsc­heid keine andere als vor dem Volksentsc­heid“, betonte Müller. Auch die Koalition insgesamt wackelt in der Frage nicht. Er verweist auf den Lärmschutz für 300 000 Berliner, Sicherheit­sbedenken und Chancen für die Entwicklun­g der Stadt. Auf dem Areal sollen 9000 Wohnungen, ein Forschungs­und Technologi­epark mit bis zu 20 000 Jobs und ein großer Park entstehen. Auch hohe Kosten werden ins Feld geführt: Allein eine umfassende Tegel-Sanierung würde laut Senat mit einer Milliarde Euro zu Buche schlagen. Für Lärmschutz­maßnahmen kämen weitere 400 Millionen Euro dazu. Die Tegel-Befürworte­r halten die Zahlen für zu hoch gegriffen. Sie unterstrei­cht, dass die Politik einmal gefasste Beschlüsse sehr wohl revidieren könne. CDU, FDP und AfD sehen einen „unmissvers­tändlichen Auftrag“an den Senat und forderten diesen auf, das Votum nun zügig umzusetzen. „Berlin und die Berliner brauchen und wollen die Offenhaltu­ng von Tegel“, sagte CDU-Fraktionsc­hef Florian Graf. „Dieses Votum der Bürger kann nicht einfach ignoriert werden“, mahnte FDP-Kollege Sebastian Czaja. Nach ihrer Einschätzu­ng wird der alte Flughafen im Nordwesten der Hauptstadt auch nach dem BERStart weiter gebraucht. Anders seien die steigenden Passagierz­ahlen nicht zu bewältigen. Der BER wurde für 27 Millionen Passagiere gebaut und soll zunächst mit 22 Millionen starten. Er ist also angesichts der Passagierz­ahlen 2016 – 21,3 Millionen in Tegel und 11,7 Millionen in Schönefeld – schon vor Eröffnung zu klein. Die Flughafeng­esellschaf­t setzt daher auf Provisorie­n sowie einen schrittwei­sen Ausbau. Ein kürzlich vorgelegte­r „Masterplan“sieht Investitio­nen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro vor, um die Kapazität bis 2035 auf 55 Millionen Passagiere zu erhöhen. Nach gut vier Jahrzehnte­n als Verkehrsfl­ughafen ist TXL vielen Berlinern ans Herz gewachsen. Zu Zeiten der Teilung galt der Flughafen im eingemauer­ten Westen der Stadt als Tor zur Freiheit.

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FOTO: CARSTENSEN/DPA Früher das Tor zur Freiheit, heute Gegenstand politische­r Streiterei­en: Berlins Flughafen Tegel.

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