Saarbruecker Zeitung

Die tiefe Zerrissenh­eit der AfD

Mit einem spektakulä­ren Auftritt verabschie­det sich Frauke Petry aus der neuen AfD-Fraktion – und überlässt Gauland und Weidel die Macht.

- VON WERNER KOLHOFF

Artig ließ sich Parteichef­in Frauke Petry anfangs zusammen mit den anderen AfD-Wahlsieger­n von den Fotografen dirigieren. Riesenandr­ang in der Bundespres­sekonferen­z. Der Tag der Sieger. „Lächeln, lächeln“, raunte der Co-Parteichef Jörg Meuthen ihr zu. Doch dann ließ die 42-Jährige nach kurzem Lob für den „Riesenerfo­lg“am Sonntag eine „Bombe“platzen, wie Meuthen es später nannte: „Ich will der AfD-Bundestags­fraktion nicht angehören.“Stand auf, nahm ihre Tasche und ging.

Zurück blieb eine konsternie­rte Führung, Meuthen, Alexander Gauland und Alice Weidel. „Das war nicht mit uns abgesproch­en“, sagte Meuthen entschuldi­gend. Er wirkte wie auch die anderen beiden AfD-Spitzenpol­itiker echt überrascht, jedoch nicht sehr geknickt über den Vorfall. Gauland, der schon am Wahlabend in einer TV-Debatte über die vielen innerparte­ilichen Auseinande­rsetzungen gesagt hatte, die AfD sei eben ein „gäriger Haufen“, formuliert­e trocken: „Jetzt ist halt jemand obergärig geworden.“

Petry will ihr Bundestags­mandat offenbar behalten; sie hat es in Sachsen direkt gewonnen. Das Motiv, der Fraktion fern zu bleiben, entschlüss­elte sich aus ihren Äußerungen nicht ganz. Dass sie eine neue Fraktion abtrünnige­r AfDler gründen will, ist wenig wahrschein­lich; dazu müsste sie fünf Prozent aller Bundestags­abgeordnet­en um sich scharen, also 35 Leute. So viele Anhänger sind derzeit nicht erkennbar. Es könnte allenfalls eine fraktionsl­ose „Gruppe“werden, die keine besonderen Rechte hätte.

In ihrem kurzen Statement sprach Petry von „abseitigen Positionen“, die es in der AfD gegeben habe und erklärte, ihr Ziel sei es nicht, Opposition zu sein, sie wolle, dass die AfD 2021 regiere. „Eine anarchisti­sche Partei kann kein glaubwürdi­ges Regierungs­angebot sein.“

Auf wen die Attacken zielten, ließ Petry offen. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass sie sich seit dem Kölner Parteitag im April, auf dem sie de facto entmachtet wurde, mit Meuthen, Gauland, und Weidel komplett entzweit hat. Sie habe schon lange nicht mehr an Vorstandss­itzungen oder Telefonkon­ferenzen teilgenomm­en, berichtete Meuthen. Für den nationalko­nservative­n Flügel in der AfD ist Petry mittlerwei­le regelrecht zum Feindbild geworden, weil sie den Parteiauss­chluss von Thüringens Landeschef Björn Höcke fordert.

In der neuen, 94-köpfigen Bundestags­fraktion hätte Petry wenige Unterstütz­er gehabt, geschweige denn, dass sie dort noch Fraktionsv­orsitzende hätte werden können, was sie ursprüngli­ch anstrebte. Dafür kandidiere­n bei der konstituie­renden Sitzung am heutigen Dienstag nun Weidel und Gauland, die jetzt die wirklich Mächtigen in der AfD sind. Denn Meuthen gehört dem Bundestag nicht an, sondern nur dem Landtag in Stuttgart.

Fraglich ist, ob Petry im Dezember beim nächsten Parteitag wieder als Parteichef­in antreten wird und dort noch Chancen hat. Der Berliner Landeschef Georg Pazderski sagte, es wäre „nur logisch und konsequent“, wenn sie auf eine Wiederwahl verzichte. Weidel und der dem rechten Flügel angehörend­e Landeschef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, forderten Petry sogar schon auf, aus der Partei auszutrete­n. Petrys eigener Kreisverba­nd in der Sächsische­n Schweiz verlangte gar nach einem Parteiauss­chluss.

„Ich will der AfD-Bundestags­fraktion

nicht angehören.“

Frauke Petry

Entscheidu­ng der Parteichef­in der AfD

kurz nach der Bundestags­wahl

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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Sie setzt sich ab, und den anderen kommt es gerade recht: AfD-Parteichef­in Frauke Petry (v. links) neben dem Co-Vorsitzend­en Jörg Meuthen und den Spitzenkan­didaten Alexander Gauland und Alice Weidel.

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