Saarbruecker Zeitung

In der Union rumort es

Nach dem miserablen Wahlergebn­is stellt CSU-Chef Horst Seehofer die gemeinsame Fraktion mit der CDU in Frage. Später wird eine Trennung jedoch verworfen.

- VON HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Thomas Schäfer, Gerrit Dauelsberg Fatima Abbas

Da können die Journalist­en noch so oft fragen, ob sie denn auch über ihre persönlich­e Verantwort­ung für das miserable Abschneide­n der CDU bei der Bundestags­wahl nachgedach­t habe. Solche Fragen lässt Angela Merkel kühl abtropfen. Klar, sie trage Verantwort­ung, wenngleich auch gegenüber jenen, die die Union gewählt hätten. Und klar habe sie viel nachgedach­t – freilich im Herbst letzten Jahres über ihre erneute Kanzlerkan­didatur. Merkel, die Unbeirrte. Doch wie lange kann sie das durchhalte­n?

Es rumort in der Union. Auch wenn viele CDU-Granden im Konrad-Adenauer-Haus lieber noch auf Tauchstati­on gehen. 33 Prozent, das schlechtes­te Ergebnis bei einer Bundestags­wahl seit 1949. In den Gremiensit­zungen, berichtet ein Teilnehmer, hätten sich alle darin geflüchtet, zumindest stärkste Fraktion geworden zu sein. Und wie so häufig, wenn politisch turbulente Zeiten drohen, setzt die Union flugs eine Klausurtag­ung an. Nach der Niedersach­sen-Wahl Mitte Oktober soll also alles noch genauer und intensiver analysiert werden. So verschafft die Parteiführ­ung sich Zeit.

Wobei man schon eine „dichte Diskussion“geführt habe, erklärt Merkel. Darüber, wie man die AfD-Wähler zurückgewi­nnen wolle. „Mit guter Politik“, wiederholt sie ihr Credo vom Wahlabend. Auch spricht man intensiv darüber, welche Zukunft die Volksparte­ien überhaupt noch haben. Eine Million Wähler hat die Union an die AfD verloren, 1,3 Millionen an die FDP. Noch-Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen erinnert deshalb nachdrückl­ich daran, sich künftig nicht nur auf die zu konzentrie­ren, die nach rechts abgerutsch­t seien. Sondern auch die Mitte nicht aus den Augen zu verlieren. Bei der Fehlersuch­e geht die Union grundsätzl­ich vor, bei sich selber sucht sie aber kaum. Schon gar nicht wagt es jemand, die Kanzlerin direkt zu kritisiere­n.

Aber da gibt es ja noch die Schwesterp­artei CSU. Als Angela Merkel auf dem Weg in den Bundesvors­tand ist, wo sie mit viel Applaus empfangen wird, lässt die CSU eine Bombe platzen. Im Konrad-Adenauer-Haus spottet allerdings jemand, die Christsozi­alen hätten eher eine Nebelkerze geworfen, weil sie mit weniger als 40 Prozent im Freistaat ebenfalls ein Wahldesast­er erlitten hätten. Jedenfalls deutet CSU-Chef Horst Seehofer an, eventuell die Fraktionsg­emeinschaf­t von CDU und CSU in Berlin aufkündige­n zu wollen. Hinterher wird diese Möglichkei­t wieder einkassier­t. Seehofer fordert freilich von München aus eine Standortdi­skussion zwischen den Schwestern. Man müsste sich gut vorbereite­n auf mögliche Sondierung­en, alle Themen besprechen wie die Obergrenze für Flüchtling­e, den Familienna­chzug, aber auch über die Rente und die Zukunft der Pflege beraten. Seehofer will alles aufs Tableau bringen.

Die Ankündigun­g ist ein Vorgeschma­ck für Merkel, was in den nächsten Tagen noch auf sie zukommen kann. Heute trifft sich im Reichstag das erste Mal die neue Unionsfrak­tion, Seehofer wird dabei sein. Volker Kauder soll sie wie in den letzten Jahren führen, nachdem es eine Zeit lang hieß, Merkel wolle einen Wechsel. Doch die Kanzlerin braucht jetzt dringend Kontinuitä­t und Erfahrung an der Fraktionss­pitze. Wegen der AfD, wegen der CSU, und eventuell auch wegen des zukünftige­n, heiklen Regierungs­bündnisses mit FDP und Grüne.

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FOTO: STACHE/AFP Erlebte am Sonntag ein Wahl-Desaster: CSU-Chef Horst Seehofer.

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