Saarbruecker Zeitung

Für die Kanzlerin brechen jetzt harte Zeiten an

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Es gärt in der Union. Nicht nur wegen Horst Seehofer, dem politische­n Spieler. Sondern auch, weil Angela Merkel im Moment nicht erkennen lässt, dass sie tatsächlic­h Lehren aus dem desaströse­n Ergebnis für die Union bei der Bundestags­wahl ziehen will. Eher erweckt die Kanzlerin den Eindruck, dass sie noch nicht verstanden hat, was da am Sonntag der Union, und zwar CDU und CSU, widerfahre­n ist – ein historisch­er Absturz.

Seehofer ist da freilich schon einen Schritt weiter. Das muss man fairerweis­e konstatier­en. Er sieht auch die inhaltlich­en Defizite der Union, nicht zuletzt im sozialen Bereich. Was nichts daran ändert, dass er trotzdem auf alte Muster zurückgrei­ft – erst poltert er, dann droht er, schließlic­h tritt er den Rückzug an. Auch er wird wissen, dass die zunächst angedachte Aufkündigu­ng der Fraktionsg­emeinschaf­t von CDU und CSU so etwas wie politische­r Selbstmord aus Angst vor dem Tod gewesen wäre.

Aber so kommt es ja nicht. Seehofer zündelt immer dann, wenn ihm der Gegenwind ins Gesicht bläst: Die CSU hat ein beispiello­s schlechtes Ergebnis in Bayern eingefahre­n, sie hat mehr verloren als die CDU im Rest der Republik. Die AfD ist im Freistaat ebenfalls stark geworden – alle Albträume der Christsozi­alen haben sich erfüllt.

Nun wollen sie noch Schlimmere­s bei der Landtagswa­hl im kommenden Jahr verhindern. Nämlich den Verlust der absoluten Mehrheit, die zur DNA der CSU gehört. Darum geht es Seehofer. Und um seine Position. Angela Merkel muss deshalb jetzt aufpassen, dass sie nicht zum Sündenbock abgestempe­lt wird. Schließlic­h hat nicht nur Merkel Fehler gemacht, sondern der große CSU-Vorsitzend­e in den letzten Monaten genauso. Mal hat er die Kanzlerin verdammt, dann sie plötzlich gelobt und für unverzicht­bar erklärt. Glaubwürdi­g war das nie. Hinzu kommen Seehofers Unstetigke­it, seine inhaltlich­e Unschärfe und sein Umgang mit dem eigenen Personal. Auch das hat erheblich dazu beigetrage­n, dass die CSU einen solchen Vertrauens­verlust erlitten hat. Nicht Merkel allein, nicht nur ihre Flüchtling­spolitik tragen dafür die Verantwort­ung.

Es brechen harte Zeiten an für die Kanzlerin. Zwar werden die CDU-Granden nicht müde zu erklären, man habe die eigenen Wahlziele erreicht. Die Unzufriede­nheit in den eigenen Reihen ist aber groß – wegen Merkel, wegen des fehlenden konservati­ven Profils und wegen der Stärke der AfD, für die die Kanzlerin hinter vorgehalte­ner Hand mitverantw­ortlich gemacht wird.

Hinzu kommt noch etwas anderes: Die Koalitions­findung wird kein Selbstläuf­er. Das System Merkel hat ausgedient. Bislang hat die Kanzlerin ihre Koalitione­n immer damit gerettet, dass sie die Union konsequent ihren Partnern angegliche­n hat. Das müsste sie erst Recht bei einem Bündnis mit extrem selbstbewu­ssten Grünen und Liberalen tun. Aber mit einer verzweifel­ten CSU wird ihr das nicht mehr gelingen. Mit Jamaika beginnt die Kanzlerinn­en-Dämmerung bei der Unterschri­ft des Koalitions­vertrages. Und nicht erst in drei oder vier Jahren.

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