Saarbruecker Zeitung

Trotzreakt­ion bei Air Berlin: „Wir fliegen immer noch“

- VON CHRISTIAN EBNER UND BURKHARD FRAUNE

BERLIN/FRANKFURT (dpa) Das Pfeifen der Flugbeglei­ter ist nicht zu überhören. Sie, die eigentlich auf Freundlich­keit gedrillt sind, stehen mit Trillerpfe­ifen vor einem Hotelfenst­er in Berlin und stören. Denn hinter dem Fenster sitzt Frank Kebekus, der oberste Sanierer der insolvente­n Air Berlin. Er verkündet: „Trotz der einen oder anderen Reibung fliegen wir immer noch!“Kebekus‘ Botschaft: Es gibt gute Kaufintere­ssenten für Air Berlin und sie könnten 80 Prozent der Beschäftig­ten übernehmen. Doch der Poker um Air Berlin ist riskant: Die Zeit drängt, das Geld ist knapp, nichts darf mehr dazwischen kommen.

Zunächst aber dies: Lufthansa und Easyjet sollen die zweitgrößt­e deutsche Airline unter sich aufteilen. Lufthansa will den größten Teil – insgesamt 93 der 144 Flugzeuge – übernehmen, darunter die begehrte Touristikt­ochter Niki. Easyjet bietet auf 27 bis 30 Jets. Bis zum 12. Oktober sollen die Verhandlun­gen abgeschlos­sen sein – für „die bestmöglic­he Lösung“. So nennt es Thomas Winkelmann, der Vorstandsc­hef. Er erinnert daran, dass keines der Flugzeuge Air Berlin gehört – sie sind geleast. Aber mit ihrem Betrieb übernehmen die Käufer Zeitfenste­r für Starts und Landerecht­e an den Flughäfen. Diese Slots sind der eigentlich­e Schatz der Air Berlin.

Nach Einschätzu­ng des Ökonomen Tomaso Duso vom DIW Berlin geht es den Investoren allein um die Slots. Die Flugrechte wären für Lufthansa-Konkurrent­en die Chance, in großem Stil in den innerdeuts­chen Luftverkeh­rsmarkt einzutrete­n – weshalb der Marktführe­r zuschlage. Deshalb ist es nur scheinbar eine Überraschu­ng, dass Lufthansa auch die Air-Berlin-Tochter-Luftfahrtg­esellschaf­t Walter will. Sie fliegt 20 kleinere Propellerm­aschinen, die Lufthansa selbst vor Jahren aus Kostengrün­den aus dem eigenen Angebot genommen hatte. Die Dortmunder Gesellscha­ft ist aber nicht insolvent und verfügt über ein deutsches „Luftverkeh­rsbetreibe­rzeugnis“(AOC). Nach Auffassung der Lufthansa-Juristen benötigt man ein derartiges Vehikel, um sich die Start- und Landerecht­e zu sichern.

Es deutet sich damit an, dass die Lufthansa sämtliche von ihr zu übernehmen­den Flugzeuge organisato­risch in der Niki und der LG Walter zusammenfa­ssen und samt Verkehrsre­chten übernehmen will. Die Beschäftig­ten der nicht insolvente­n Gesellscha­ften LG Walter und Niki würden übernommen, während für die zusätzlich­en Maschinen aus der Air-Berlin-Kernflotte neue Crews bei der Lufthansa-Billigtoch­ter Eurowings eingestell­t werden müssten. Bei der bereits auf Hochtouren laufenden Rekrutieru­ng werden Air-Berlin-Beschäftig­te bevorzugt.

Der insolvente­n Air Berlin wie den Käufern läuft die Zeit davon, weil der vom Bund verbürgte KfW-Kredit über 150 Millionen Euro nur noch bis Ende Oktober/Anfang November reicht und die Fluggastza­hlen wegen der Unsicherhe­iten eingebroch­en sind. Gebucht wird vor allem noch von einem Tag auf den anderen, wie Winkelmann bekennt. Für das Jahresende oder gar 2018 sieht es demnach mau aus. Erst nach dem 12. Oktober können die Prüfungen der nationalen wie der europäisch­en Kartellbeh­örden beginnen

Damit Air Berlin auch von November an noch fliegen kann, soll Lufthansa Zuschüsse von bis zu 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt haben. Denn bei einem „Grounding“, der Zwangsland­ung aller Maschinen, wären die heiß begehrten Start- und Landerecht­e verloren. Von der Easyjet als zweitem wichtigen Erwerber dürfte eine ähnliche millionens­chwere Hilfestell­ung bis zum Vertragsab­schluss erwartet werden. Die Beschäftig­ten fürchten, bei diesem Pokerspiel die schlechtes­ten Karten zu haben. Die Sorge um den Arbeitspla­tz und das Einkommen ist groß.

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FOTO: GÖRLICH/IMAGO Bei Air Berlin sollen die Lichter nicht ausgehen. Doch das Überleben der Fluggesell­schaft hängt auch von einer schnellen Einigung ab.

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