Saarbruecker Zeitung

Neuer Bundestag wird so teuer wie nie zuvor

Der nach der Wahl deutlich vergrößert­e Bundestag wird bis 2021 viele Millionen Euro mehr kosten. Der Bund der Steuerzahl­er fordert eine „Mandatsobe­rgrenze“.

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BERLIN/MÜNCHEN (epd/afp/dpa) Der neue Bundestag mit der Rekordzahl von 709 Abgeordnet­en wird nach Berechnung­en des Steuerzahl­erbundes zusätzlich­e Kosten von mindestens 75 Millionen Euro pro Jahr verursache­n. Allein im kommenden Jahr werde das Parlament an mandatsbez­ogenen Ausgaben 517 Millionen Euro kosten, hieß es. Bliebe das Parlament bei 598 Abgeordnet­en, würde es mit 442 Millionen Euro auskommen. In seine Kalkulatio­n rechnete der Bund der Steuerzahl­er neben den Abgeordnet­en-Diäten und den Aufwandspa­uschalen auch die Gehälter für die Mitarbeite­r in den Abgeordnet­enbüros sowie Sachausgab­en und Fraktionsk­osten ein. Nicht berücksich­tigt sind demnach die zusätzlich­en Aufwendung­en, die auf die Bundestags­verwaltung etwa bei der Unterbring­ung der weiteren Abgeordnet­en und ihrer Mitarbeite­r zukommen.

Verbandspr­äsident Reiner Holznagel sprach von einem „überdimens­ionierten XXL-Parlament“und appelliert­e an die Fraktionen, neben einem neuen Wahlrecht eine absolute „Mandatsobe­rgrenze“zu beschließe­n. „Selbstvers­tändlich gehören die Ausgaben für ein Parlament zu den Betriebsko­sten einer demokratis­chen Grundordnu­ng, aber hier reißt der Bundestag das Fenster auf und dreht sprichwört­lich die Heizung hoch“, sagte er. 500 Abgeordnet­e seien genug. Mehr Parlamenta­rierer bedeuteten nicht automatisc­h mehr Demokratie.

Die hohe Zahl von Abgeordnet­en geht auf Überhang- und Ausgleichs­mandate zurück, die bei der Wahl am Sonntag in großer Zahl anfielen. In der zurücklieg­enden Wahlperiod­e hatte es zwar wiederholt Vorstöße für eine Wahlrechts­reform gegeben, es kam aber keine Einigung zustande. Die Staatsrech­tlerin Sophie Schönberge­r sagte im SWR, dass der Bundestag damit das zweitgrößt­e Parlament der Welt sei – nach dem Nationalen Volkskongr­ess in China. Vor allem die Parlamente in anderen westlichen Demokratie­n sind teils deutlich kleiner.

Derweil diskutiert die CSU nach ihrem historisch schlechten Ergebnis in Bayern offen wie nie über einen Rückzug von Parteichef Horst Seehofer. Mehrere Landtagsab­geordnete, Orts- und Kreisverbä­nde forderten ihn gestern auf, Konsequenz­en zu ziehen. Seehofer nannte den Streit eine Debatte zur Unzeit. Auch Unions-Bundestags­fraktionsc­hef Volker Kauder (CDU) bekam bei seiner gestrigen Wiederwahl den Unmut in den eigenen Reihen zu spüren. Nur gut drei Viertel der neuen Abgeordnet­en stimmten für den 68-Jährigen.

Bei der AfD gibt es nach dem Triumph vom Sonntag erste Auflösungs­erscheinun­gen. Am Tag der ersten Sitzung der Bundestags­fraktion kündigten Parteichef­in Frauke Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell an, die AfD zu verlassen.

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