Saarbruecker Zeitung

Der Bayer und seine Großbauste­llen

CSU-Chef Horst Seehofer sieht die Union plötzlich auf einem guten Weg. Daheim in München muss er nach dem Wahldesast­er jedoch kämpfen.

- VON HAGEN STRAUSS

Zwei Großbauste­llen können auch für einen wie Horst Seehofer zu viel sein. Vor allem, wenn sich die eine in München und die andere in Berlin befindet. Deshalb galt es gestern, eine davon möglichst abzuräumen. Zumindest vorerst.

Nach seinem Treffen mit Angela Merkel im Kanzleramt und der konstituie­renden Sitzung der CSU-Landesgrup­pe gab sich der Parteichef also betont optimistis­ch: Man werde mit einer „geschlosse­nen Haltung“in Sondierung­en mit anderen Parteien gehen. Es gebe zwischen ihm und Merkel „trotz der angespannt­en Situation“eine „vernünftig­e Atmosphäre ohne gegenseiti­ge Vorwürfe“. Kurz nach dem Debakel von CDU und CSU bei der Bundestags­wahl klang das noch anders. Da drohte Seehofer, es dürfe kein „Weiter so“mehr geben.

Jetzt nur noch so viel: Alsbald werde man mit der CDU Gespräche führen, um der Öffentlich­keit klar zu machen: „Wir haben verstanden“, so Seehofer. Die CSU werde sich dabei wieder verstärkt um den sozialen Kompass kümmern. Auch gehe es nicht nur um eine Obergrenze für Flüchtling­e, sondern beim Thema Zuwanderun­g erwarte die Bevölkerun­g „ein geschlosse­nes Regelwerk.“Ebenfalls zuversicht­lich zeigte sich der bayerische Ministerpr­äsident hinsichtli­ch einer Verständig­ung mit den Grünen für eine Jamaika-Koalition: Schon 2013 sei eine Kooperatio­n nicht an der CDU oder der CSU gescheiter­t, sondern an den Grünen. Allerdings werde man „keine schrägen Kompromiss­e machen“.

Damit das nicht passiert, hat Seehofer nun Alexander Dobrindt als CSU-Landesgrup­penchef installier­t. Sein Amt als Verkehrsmi­nister wird er parallel bis zur Bildung einer neuen Regierung fortführen. Er war auch mal CSU-Generalsek­retär, er ist ein Wadenbeiße­r.

Für seinen eigentlich­en Kampf hat Seehofer nun etwas den Rücken frei. Den muss er zuhause führen. 38,8 Prozent hat die CSU in Bayern geholt. Noch nie hat die Partei im Freistaat so schlecht abgeschnit­ten. Viele sehen die absolute Mehrheit bei den Landtagswa­hlen im kommenden Jahr gefährdet. Seehofer, der sich im April fürs Weitermach­en in seinen Ämtern entschied, muss kämpfen. Heute wird er sich der Landtagsfr­aktion stellen. Noch wagen sich nur eher unbekannte bayerische Abgeordnet­e aus der Deckung und fordern seinen Rücktritt. Doch aus einzelnen Stimmen kann schnell eine Lawine werden. Schließlic­h ist die CSU bekannt dafür, mit ihrem Führungspe­rsonal gerne kurzen Prozess zu machen. Seehofer reagierte gestern auf die Rücktritts­forderunge­n mit dem Hinweis, im November habe man einen Wahlpartei­tag. Der sei der richtige Ort, „diese Debatten zu führen. Alles andere ist nicht hilfreich“.

Er und Kanzlerin Angela Merkel nahmen dann am Nachmittag an der ersten Sitzung der neuen Unionsfrak­tion teil. Dem Vernehmen nach wurde dort sachlich und selbstkrit­isch die Lage analysiert. Erneut zum Fraktionsc­hef wählten die Abgeordnet­en Volker Kauder. Der 68-Jährige führt die Fraktion seit 2005. Viele in der Union hatten auf eine Verjüngung an der Spitze gehofft, was sich im Wahlergebn­is zeigt: Nur 180 von 239 Abgeordnet­en stimmten für ihn, schlappe 77 Prozent. Doch Kauder ist erfahren, kampferpro­bt und mit allen parlamenta­rischen Tricks vertraut. In einem Bundestag mit der AfD wollte Merkel auf ihn nicht verzichten.

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FOTO: STEFFI LOOS/AFP Trafen sich gestern in Berlin: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer.

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