Saarbruecker Zeitung

Das einstige „Traumpaar“der AfD rechnet ab

Frauke Petry und Marcus Pretzell mischten die deutsche Politik auf wie kaum ein anderes Ehepaar. Jetzt kehren sie ihrer Partei gemeinsam den Rücken.

- Produktion dieser Seite: Fatima Abbas Gerrit Dauelsberg VON BETTINA GRÖNEWALD

(dpa) Als „Traum-Paar der deutschen Politik“waren Frauke Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell im Wahlkampf von ihren Anhängern gefeiert worden. Für manche AfD-Mitglieder dürften sich die eigensinni­ge Noch-Bundespart­eichefin und der nicht minder widerborst­ige nordrhein-westfälisc­he Landesvors­itzende inzwischen aber zum Alptraum entwickelt haben. Gestern setzte das stark polarisier­ende Paar zum Doppelschl­ag an: Kurz hintereina­nder kündigte zunächst sie in Dresden und dann er in Düsseldorf den Austritt aus der AfD an. Schon vor ihrem Einzug in den Düsseldorf­er Landtag galt die AfD als zerstritte­n. Machtkämpf­e sind in der Landespart­ei, die im Oktober ohnehin einen neuen Vorstand wählen wollte, bis heute nicht befriedet.

Jetzt ist das Chaos perfekt. „Die Fraktion ist überrascht worden“, bekennt ihr Vorstandsm­itglied Helmut Seifen nach der Sitzung der 16 Landtagsab­geordneten. Pretzell habe hinter verschloss­enen Türen angekündig­t, zur nächsten Sitzung aus der Partei und Fraktion auszutrete­n. Sein Mandat will der 44-jährige Rechtsanwa­lt, der auch noch EU-Abgeordnet­er ist, aber behalten. Pretzell selbst will vor Journalist­en nicht erklären, was ihn zu diesem Schritt bewogen hat. Bei anderen Gelegenhei­ten machte er deutlich, dass er ein wirtschaft­sliberaler Pragmatike­r sei. Gemeinsam mit Petry hat er versucht, die AfD auf einen für breitere Schichten wählbaren „Realo-Kurs“zu führen und das vom thüringisc­hen AfD-Chef Björn Höcke geprägte Rechtsauße­n-Image loszuwerde­n. In der NRW-Landtagsfr­aktion werden zwei der 16 Abgeordnet­en dem Höcke-Lager zugerechne­t.

„Höcke ist ein Randphänom­en – da können Sie uns nicht verorten“, unterstrei­cht Seifen für seine Landtagsfr­aktion. „Die AfD ist nicht nazi-gefährdet. Das ist völliger Quatsch.“Pretzell sei aber für sich zu dem Schluss gekommen, dass sich in der Partei insgesamt negative Entwicklun­gen abzeichnet­en, die möglicherw­eise nicht steuerbar seien. Pretzell habe in seiner Aussprache vor der Fraktion aber nicht präzisiert, ob er völkische Rhetorik oder Entgleisun­gen befürchte.

Eine Spaltung der AfD sieht Seifen nicht kommen. Der 63-jährige Oberstudie­ndirektor hält es auch für unwahrsche­inlich, dass weitere AfD-Abgeordnet­e außer Pretzell und seinem Parteifreu­nd Alexander Langguth die Fraktion und die Partei verlassen werden. „Die AfD ist die letzte Hoffnung, die vielen Wählern bleibt. Ihnen gegenüber haben wir eine Verpflicht­ung.“Dies sei in der Diskussion Konsens gewesen. Dennoch werde die Entscheidu­ng der beiden Abtrünnige­n respektier­t. „Ich würde das nicht als Desertiere­n bezeichnen.“

Die Grünen im Landtag finden für das Verhalten andere Begriffe. „Die AfD betreibt Wählertäus­chung auf hohem Niveau“, kommentier­t Grünen-Fraktionsc­hefin Monika Düker „die Auflösungs­erscheinun­gen der AfD“. Der Landtag müsse nun schnell klären, welche Finanzmitt­el der geschrumpf­ten Fraktion künftig noch zustünden.

Mit dem Abgang ihres provokante­n Aushängesc­hilds Pretzell läuft die Landtagsfr­aktion jedenfalls Gefahr, in der Bedeutungs­losigkeit zu versinken.

„Die AfD ist nicht nazi-gefährdet.“

Helmut Seifen

AfD-Vorstandsm­itglied

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FOTO:POPOW/IMAGO Sie sagen fast zeitgleich zur AfD ade: Frauke Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell.

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