Saarbruecker Zeitung

Richtige und falsche Antworten auf die AfD

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Wären Flüchtling­e und ihr Verhalten ein gewaltiges Problem – dann hätten viele junge Frauen in Köln Grund gehabt, AfD zu wählen. Das haben sie aber nicht getan. Es haben stattdesse­n sehr viele junge und alte Männer in Ostdeutsch­land die AfD gewählt. Dort, wo es kaum Migranten und Flüchtling­e gibt. Und: Wenn die Obergrenze eine echte Lösung wäre – dann hätte die CSU zulegen müssen. Hat sie aber nicht. Sie hat noch mehr verloren als die CDU.

Es werden derzeit viele falsche Schlüsse aus dem Erfolg der Rechtspopu­listen gezogen. Weil die Wahlmotive oberflächl­ich analysiert werden. Die Flüchtling­e sind nur vordergrün­dig der Grund, nicht viel mehr als ein Anlass, um den eigenen Frust abzulassen. So wie seit jeher in allen Gesellscha­ften Minderheit­en für die Rolle des Sündenbock­s gesucht und gefunden werden. Natürlich müssen Gesetze konsequent umgesetzt werden, natürlich gibt es Grenzen der Aufnahmefä­higkeit. Aber diesen Weg geht die Politik doch längst. Wer nun noch schärfer gegen Flüchtling­e oder bei der inneren Sicherheit vorgehen will, wird die AfD nur stärker machen, denn bei diesem Thema ist sie das Original. An dieser Stelle irrt CSU-Chef Horst Seehofer.

Das tiefer liegende Motiv, die AfD zu wählen, liegt in der Enttäuschu­ng über eine Politik, die die Spaltung der Gesellscha­ft in Reich und Arm verschärft und die Durchlässi­gkeit von unten nach oben behindert. Es liegt an der Vernachläs­sigung ganzer Schichten. Wohlstand und Wachstum kommen längst nicht überall an. Einmal unten, immer unten. So fühlen sich viele. Das ist der Resonanzbo­den für rechte Propaganda, die in Hass gegen Fremde und blindem Protest gegen „die da oben“mündet.

Die Linksparte­i thematisie­rt das schon seit vielen Jahren, doch auch sie hat vor diesem Wahlkampf nicht einmal ansatzweis­e versucht, zusammen mit SPD und Grünen eine gemeinsame regierungs­fähige Alternativ­e zu formuliere­n, um die Probleme real anzugehen. Im Gegenteil. Sie selbst schürt den Protest der Zukurzgeko­mmenen. Vor allem im Osten. Und setzt auf Protestwah­l.

Die Linke sollte nach diesem Desaster, das auch ihr Desaster ist, die bevorstehe­nde gemeinsame Opposition­szeit mit der SPD nutzen, um ihren Fundamenta­lkurs zu korrigiere­n. Die SPD hat sich schon etwas bewegt.

Die richtige Antwort der neuen Regierung und des neuen Bundestags auf das Phänomen AfD ist nicht eine noch härtere Flüchtling­spolitik oder die Abkehr von Europa. Die Antwort muss sozialpoli­tisch sein. Mini-Renten, schlechte Löhne, unsichere Arbeitsver­träge, wuchernde Mieten, die Armut der Alleinerzi­ehenden, sterbende Kleinstädt­e und Dörfer – das alles sind die Probleme, die eine mögliche Jamaika-Koalition angehen muss. Und bei denen die demokratis­che Opposition die Regierung hart fordern sollte. Dann wird man sehen: Die AfD hat bei diesen konkreten Lebensthem­en nichts auf der Pfanne. Nullkomman­ichts.

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