Schichtmodelle rücken in den Fokus
Gewerkschaft: Die Arbeitzeit sollte stärker den Bedürfnissen der Mitarbeiter angepasst werden.
SAARBRÜCKEN Die IG Metall fordert für die kommenden Tarifverhandlungen eine stärkere Einbeziehung der Arbeitszeitmodelle: „Die Arbeitszeit muss stärker in die Diskussionen einfließen“, sagte Simon Geib, 2. Bevollmächtigter der IG Metall in Neunkirchen, gestern anlässlich einer Arbeitskammer-Veranstaltung zum Thema Schichtarbeit. „Bei der Gestaltung der Arbeitszeit sollte künftig nicht nur der Produktionsprozess, sondern auch der Arbeitsund Gesundheitsschutz im Vordergrund stehen.“
Als Grundlage seiner Forderung nennt Heib Untersuchungen des Institutes für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA). Diese legten nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Chronotyp eines Menschen und einer Unfallwahrscheinlichkeit gebe.
Mit dem Chronotyp werden Morgenoder Abendmenschen bezeichnet, sogenannte Eulen und Lärchen. Obwohl die bisherigen, dreijährigen Vorstudien noch keine belastbaren Ergebnisse ergeben hätten, gebe es Hinweise darauf, dass es unterschiedliche Lebensrhythmen gebe, auf die auch die Arbeitszeit angepasst werden könne, sagte Barbara Hirschwald, wissenschaftliche Mitarbeiterin des IFA. In jedem Fall müsse in diesem Feld weiter geforscht werden.
IG-Metall-Vertreter Geib regt deshalb an, über neue Schichtmodelle nachzudenken, in denen beispielsweise Nachtmenschen eher in den Spät- und Morgenmenschen eher in den Spätschichten eingesetzt würden. Denkbar wären auch Teilzeit-Schichten in der Nacht oder geteilte Nachtschichten. „Wir werden nicht von der Nachtarbeit wegkommen, aber wir sollten offen für neue Ideen sein.“
Eine solche neue Idee könnte auch sein, die Nachtzuschläge als Freizeit zu vergüten, sagt Adrian Fortuin, Betriebsratsvorsitzender bei DF Gelochter Bleche. Oder statt der bisherigen Acht-Stunden-Schichten, Sechs-Stunden-Schichten mit mehr Mitarbeitern und geringerer Vergütung einzuführen. Ähnliche Modelle schweben auch Geib vor: „Bei belasteten Tätigkeiten wie der Nachtarbeit wäre auch eine verkürzte Vollzeit mit Teillohn-Ausgleich eine Möglichkeit.“Über all das müsste jetzt mit den Arbeitgebern geredet werden.
Fortuin sieht in Arbeitszeiten, die dem Lebensrhythmus der Arbeitnehmer angepasst sind, auch einen Vorteil für die Arbeitgeber, denn Mitarbeiter, die in der für sie optimalen Zeit arbeiten, seien auch produktiver.
Ingrid Matthäi vom Iso-Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft sieht in dem Vorstoß ein Mittel für den Gesundheitsschutz. Denn vor allem ältere Arbeitnehmer würden durch die hohe Belastung der Nachtarbeit häufiger krank. In Folge müssten die übrigen Mitarbeiter mehr Nachtschichten übernehmen, was wiederum die Krankheitsrate steigere.
Dass das Thema virulent ist, zeigt das Beispiel von ZF. Geschäftsführung und Betriebsrat hatten vor wenigen Wochen angekündigt, angesichts der hohen Krankenstände die Schichtenmodelle unter die Lupe zu nehmen und eine verträglichere Schicht-Verteilung zu erarbeiten.
Für Hirschmann wäre es ein erster Ansatz, die Chronotypen der jeweiligen Mitarbeiter in den betriebsärztlichen Gesundheitsuntersuchungen zu erfassen. Matthäi sieht für die Unternehmen keine Alternative als sich auf neue Arbeitszeitmodelle einzulassen. Denn gerade die Jüngeren würden von den starren Schichtmodellen abgeschreckt. „Weil es in anderen Berufen leichter ist, flexible Zeiten durchzusetzen, entscheiden sich viele gegen die Industrie“, sagt sie. Und das könne sich die Industrie in Zeiten des Fachkräftemangels nicht leisten. „Wenn die Unternehmer auch künftig noch Mitarbeiter haben wollen, müssen sie Veränderung zulassen.“