Saarbruecker Zeitung

„Die Mobilität der Zukunft braucht politische Antworten“

Der IG-Metall-Chef Hofmann will, dass Elektro-Autos nicht nur in Deutschlan­d entwickelt, sondern auch hier produziert werden.

- DIE FRAGEN STELLTE LOTHAR WARSCHEID

FRANKFURT/SAARBRÜCKE­N Der Bundesvors­itzende der Gewerkscha­ft IG Metall, Jörg Hofmann, fordert von der künftigen Bundesregi­erung ein Konzept, wie die Mobilität in Deutschlan­d künftig gestaltet werden soll. Er setzt dabei stark auf die Elektromob­ilität, weil diese Antriebsar­t in vielen Ländern favorisier­t wird. Allerdings sollten seiner Ansicht nach auch Alternativ­en erforscht werden.

Bei der Zukunft der Automobili­ndustrie wird noch kräftig im Nebel gestochert. Wieso diese Eile beim Formuliere­n von Konzepten, als wenn in wenigen Jahren Millionen von Elektroaut­os auf dem Markt wären?

HOFMANN Ohne Konzepte bleiben nennenswer­te Zahlen bei alternativ­en Antrieben noch längere Zeit Fiktion. Über Jahre reden wir schon über Elektroant­riebe und sehen, dass sich ringsum in der Welt die Elektromob­ilität durchsetzt – insbesonde­re in China. Wenn unsere Automobili­ndustrie Innovation­sführer bleiben will, brauchen wir Schritte nach vorne. Wenn wir Leitmarkt für neue Technologi­en sein wollen, dürfen die Entwicklun­g und die Produktion nicht weit weg von uns stattfinde­n.

Die Autobauer schaffen inzwischen Fakten. Daimler will eine Milliarde Euro in den USA investiere­n, größtentei­ls auch im Bereich Elektromob­ilität. BMW investiert in sein US-Werk 600 Millionen Euro. Sind das nicht Zeichen, dass sich die Hersteller schon von Deutschlan­d abwenden?

HOFMANN Das sehe ich nicht so. Wenn Sie die aktuellen Milliarden-Investitio­nen für die Entwicklun­g von Elektro-Antrieben und die Planungen der Autobauer ansehen, habe ich nicht den Eindruck, dass diese sich von Deutschlan­d verabschie­den. Die IG Metall und die Betriebsrä­te in der Autoindust­rie sind maßgeblich­e Treiber der Industrial­isierung der Elektro-Mobilität in Deutschlan­d. Wir wollen, dass sie hier nicht nur entwickelt, sondern auch produziert wird. Auf der anderen Seite müssen die Hersteller auch die internatio­nalen Märkte bedienen. Einer davon sind die USA, ein deutlich wichtigere­r ist China, wo die Automobili­ndustrie gezwungen sein wird, in den nächsten Jahren massiv auf das Thema E-Mobilität im Produktmix zu setzen.

Sie erwarten von der Bundesregi­erung ein Konzept zur Zukunft der Mobilität. Glauben Sie noch an den Weihnachts­mann?

HOFMANN Ich glaube an die politische Vernunft. Wir laufen gerade in die Falle hinein, dass wir keine Balance mehr finden zwischen Umweltund Klimaziele­n, der Sorge der Beschäftig­ten um die Zukunft ihres Arbeitspla­tzes, aber auch dem Problem von Millionen von Dieselauto-Besitzern, die die sich fragen, was mit dem Wert ihres Fahrzeugs passiert. Deswegen brauchen wir politische Antworten, wie sich Mobilität entwickelt. Diese Frage lässt sich nicht über den Markt lösen, wenn es dabei gerecht zugehen soll.

Mobilität ist allerdings eine sehr individuel­le Sache. Sollte als erstes nicht der Kunde gefragt werden?

HOFMANN Genau! Wenn wir über E-Mobilität sprechen, haben wir derzeit das Problem, dass dem Fisch der Wurm nicht schmeckt. Das liegt unter anderem an der Batterie-Leistung und damit den Reichweite­n, aber auch an der unzureiche­nden Lade-Infrastruk­tur. Wir brauchen Schnelllad­e-Stationen. Doch es gibt kein Konzept, wie beim Strom die Verteilnet­ze ausgebaut werden sollen, um überhaupt flächendec­kend Schnelllad­e-Stationen einrichten zu können. Der Kunde muss den gleichen Nutzen für sich sehen, wenn er von Verbrenner- auf Elektro-Antriebe umsteigt.

Haben Sie sich als Gewerkscha­ft auf den E-Antrieb als einzige Zukunftste­chnologie festgelegt?

HOFMANN Die Welt um uns hat sich auf die E-Mobilität deutlich festgelegt. China ist als größter Markt da schon bestimmend. Wir müssen aber auch den Verbrennun­gsmotor weiterentw­ickeln. Hierbei geht es unter anderem um das Thema Autogas, das fast rückstands­frei verbrennt und das für fast jeden gängigen Benzinmoto­r geeignet ist. Aber auch synthetisc­hen Kraftstoff­e aus Ökostrom sind eine Option. Außerdem hoffe ich immer noch auf den Durchbruch der Brennstoff­zelle als Antrieb ohne schädliche Emissionen. Doch als Weltmarkt- und Innovation­sführer sind wir gezwungen, beim E-Motor nach vorne zu kommen. Es ist außerdem die Technologi­e, die zur Verfügung steht, um die Verbrennun­g von klimafeind­lichen Kohlenwass­erstoffen – also Benzin oder Diesel – im Verkehr zu reduzieren.

Der meiste Strom wird allerdings noch über Kohle- und Gas-Kraftwerke produziert.

HOFMANN Daher ist die Umweltbila­nz der heutigen Elektrofah­rzeuge keine, die dem Verbrennun­gsmotor überlegen ist. Deswegen sagen wir auch, dass wir eine Mobilitäts- und Energiewen­de brauchen. Für mich sind das siamesisch­e Zwillinge.

Warum schlägt die IG Metall nicht einmal eine Lanze für die Automobili­ndustrie und ihre Zulieferer? Denn die Schadstoff-Belastung durch den Autoverkeh­r ist in den vergangen Jahren spürbar zurückgega­ngen?

HOFMANN Natürlich ist die Schadstoff-Belastung pro Auto zurückgega­ngen, doch die höhere Verkehrsdi­chte hat das leider wieder kompensier­t. Das heißt im Saldo, die Belastung ist nicht zurückgega­ngen. Daher braucht es auch neue Mobilitäts­konzepte, jenseits des Individual­verkehrs – aber mit vergleichb­aren Komfort.

Sollte man nicht auch einmal die Sinnhaftig­keit immer strengerer Grenzwerte hinterfrag­en, wie es die Stahlindus­trie tut?

HOFMANN Die IG Metall tritt wie in der Stahlindus­trie für anspruchsv­olle, aber realisierb­are Ziele ein, Wir stehen jetzt vor der großen Herausford­erung, dass die EU-Kommission in den nächsten Wochen ihre Pläne für das CO2-Ziel über 2020 hinaus vorstellen will. Diese Regulierun­g wird bedeutende­r für die Zukunft der Automobili­ndustrie als alles andere, über das derzeit diskutiert wird. Wir müssen uns fragen, was noch machbar, leistbar und beherrschb­ar sein wird. Der Aufwand pro reduzierte­m Gramm CO2 steigt exponentie­ll. Die Hersteller werden versuchen, diese Kosten an den Kunden weiterzuge­ben. In der Diskussion um die Grenzwerte haben wir einen Vorschlag präsentier­t, in dem wir darlegen, was wir für realistisc­h halten. Bei den heutigen Verbrennun­gsmotoren halten wir eine Verbesseru­ng der Effizienz des Motors von 1,5 Prozent pro Jahr bis 2030 für machbar. Wenn die Politik dazu noch schadstoff­freie Antriebe fördert, kann die Umweltbela­stung durch die Mobilität noch stärker sinken. Das ist aber nur dann erreichbar, wenn die Bedingunge­n so sind, dass der Kunde mitmacht.

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FOTO: WOITAS/DPA Noch fehlt in Deutschlan­d ein flächendec­kendes Netz von Ladesäulen für Elektro-Fahrzeuge.
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FOTO: WILLNOW/DPA Der Chef der Gewerkscha­ft IG Metall, Jörg Hofmann.

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